Paddeln statt Wellenreiten: Stand Up Paddling am Schlachtensee
Auf einer meterhohen Welle über das Meer reiten – das verbinden viele Menschen mit einem Surfboard. Da man in den Gewässern in Brandenburg und Berlin solche Wellen aber nur schwer findet, muss Ersatz her. Seit einigen Jahren entwickelt sich Stand Up Paddling (SUP) zu Deutsch: Stehpaddeln, zum Sommersporttrend. Wer etwas auf sich hält, schippert im Sommer lässig auf einem großen Surfbrett stehend übers Wasser, und statt von einer Welle angeschoben zu werden, bewegt man sich eben mithilfe eines Paddels fort. Man braucht dazu kein Meer, sondern nur einen See, einen Fluss oder einen Teich. Die Gefahr, von einer Welle verschluckt zu werden, umgeht man so auch. Eine Möglichkeit zum Stand Up Paddling gibt es am Schlachtensee in Berlin-Zehlendorf, unsere Redakteurin hat es ausprobiert
Gleich hinter der Fischerhütte stapeln sich an einem kleinen Strandabschnitt die Surfbretter, und hinter der Theke steht Philipp Wilhelm, der dort den SUP Verleih Schlachtensee betreibt. Gerade hat eine Gruppe Jugendlicher ein paar SUP-Boards ausgeliehen, die sie vorher übers Internet bestellt haben. „Die Onlinebuchung ist vorteilhafter für die Kunden, denn so können sie sichergehen, dass sie auch ein Board bekommen“, erklärt Philipp. Rund 40 Exemplare stehen zum Ausleihen bereit, doch in der Hochsaison könne es schon mal vorkommen, dass sie alle verliehen seien.
Am frühen Nachmittag ist es am Verleih noch etwas leerer, sodass Philipp seinen Mitarbeiter Nico guten Gewissens alleinlassen kann, um mir zu erklären, wie SUP funktioniert. „Wenn es nicht so voll ist, geben wir Neulingen natürlich eine kleine Einführung“, sagt Philipp. In der Hochsaison sei das nicht immer möglich, aber dafür sei man ja auch nur ein Verleih. Eine ausführliche Anleitung bekomme man bei einem der Einsteigerkurse oder bei einem Einzeltraining.
Philipp reicht mir ein Paddel, das ich kurz nach oben halten soll. Es sollte mich im Stehen um eine Armlänge überragen, erklärt er. Beim Steuern wird das Paddel mit der einen Hand am Griff umfasst, mit der anderen in der Schaftmitte und nur mit dem Blatt durchs Wasser gezogen. So lässt sich das Board leichter manövrieren. Die Seite des Paddels, die vorne sein soll, ist mit einem Aufkleber markiert. Starten und enden sollte man immer kniend, durch die bessere Gewichtsverteilung ist man so sicherer vor einem Sturz ins Wasser. „Du steigst am besten vom Ufer aus auf, das Paddel legst du quer über das Brett und setzt dich dann auf den Knien in die Mitte des Bords“, erklärt mir Philipp. „So kannst du dich erstmal ausbalancieren, bevor du aufstehst.“
Ich stoße mich am Ufer ab und bewege des Paddel so, wie Philipp es mir erklärt hat. Das Brett schwankt, aber ich fühle mich sicher. Noch, denn nun soll ich mich hinstellen. Wacklig wie ein Rehkitz stehe ich kurz danach auf dem Brett. „Wenn wir ein bisschen gefahren sind, wirst du schnell sicherer“, verspricht Philipp. Das Brett bewegt sich langsam vorwärts und wir fahren immer weiter auf den See hinaus. Die Sonne scheint, das Wasser glitzert, der Wind streicht sanft durchs Haar … Plötzlich kann ich verstehen, warum Stand Up Paddling so beliebt geworden ist. Dabei ist es eigentlich kein neuer Sport. In vielen Ländern bewegen sich die Leute seit Jahrhunderten so auf dem Wasser fort.
Den SUP Verleih Schlachtensee gibt es seit vier Jahren. Vor fünf Jahren suchte Philipp einen Ausgleich zum Geräteturnen, das er früher als Leistungssport betrieben hat. SUP sei für ihn so ideal, weil es eine gelenkschonende Sportart ist und noch dazu an der frischen Luft und auf dem Wasser ausgeübt werden kann, sagt er. Es gefiel ihm sogar so gut, dass er seinen Job als Vertreter für Medizintechnik aufgab und sich selbstständig machte, um präventiv zu arbeiten.
Für Berliner, Randberliner und Touristen ist die Lage am Schlachtensee ideal, denn das Gewässer ist durch die S1 und die U3 bestens an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Außerdem gibt es auf dem See keinen Schiffsverkehr, sodass Wassersportler sich darauf sicher fühlen können. Zudem kann man in der Fischerhütte zwischendurch eine Auszeit nehmen. Mehrere tausend Kunden leihen sich in der Saison die Ausstattung zum Stehpaddeln aus. Viele Stammkunden gehören dazu, manche bringen ihr eigenes Board mit. Dafür zahlt man allerdings ab 800 Euro aufwärts. Neben dem Verleih des Equipments kann man auf www.steh-paddler.com auch SUP-Kindergeburtstage buchen oder gemeinschaftlich Yoga auf dem Brett machen.
Obwohl ich tatsächlich immer sicherer werde, sehe ich mich beim Yoga, wo man sich beim Krieger oder beim herabschauenden Hund ja auch noch drehen muss, noch lange nicht. Aber mit der Sicherheit wird auch der Mut größer. Philipp zeigt mir darum noch ein paar Tricks. „Je weiter hinten man auf dem Bord steht, desto besser kann man damit wenden.“ In Zentimeterarbeit bewege ich mich ans Boardende. Bei jedem Schritt kippelt es verdächtig. Philipp gibt mir einen Tipp. „Wenn du merkst, dass du fällst, lässt du dich einfach auf die Knie fallen. Dann landest du nicht im Wasser.“ Als ich mich später irgendwann so sicher fühle, dass ich schneller wenden möchte, verliere ich plötzlich doch das Gleichgewicht. Philipps Tipp habe ich in dem Moment längst vergessen. Doch das Wasser ist für seine 19 Grad wärmer als gedacht. Und wenn man einmal im Wasser gelandet ist, verliert man automatisch seine Angst davor.
Text: Andrea Nebel/Foto: ste