„Hass und Hetze dürfen keinen Platz haben“
Sebastian Rüter (45) hat bei der Landtagswahl im September 2019 das Direktmandat im Wahlkreis 20 (Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nuthetal) erzielt. Neben seiner Tätigkeit als Mitglied des Landtags ist er ehrenamtlich bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), als Stadtverordneter und Co-Vorsitzender des SPD-Ortsverbands in Teltow aktiv. Rüter hat zwei 8 und 11 Jahre alte Kinder. Im Interview mit dem Lokal-Report zieht er Bilanz nach einem Jahr Landtagsarbeit.
Was hat sich für Sie verändert, seitdem Sie Mitglied im Brandenburgischen Landtag sind?
Ich habe nach der Wahl meine Stelle als Leiter der Geschäftsstelle des Europäischen Betriebsrats bei der Deutschen Bahn aufgeben und muss sagen: Hauptamtlich Politik zu machen ist schon etwas anderes, als in einem Konzern angestellt zu sein. In meinem Wahlkreis komme ich ins Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern und diskutiere mit ihnen die Zukunft unserer Region. Im Landtag kann ich mich in den Ausschüssen und im Plenum inhaltlich einbringen. Mein Ziel ist es, diese beiden Teile meiner Tätigkeit zu verbinden und sowohl für den Wahlkreis, als auch für das ganze Land Brandenburg das Beste rauszuholen.
Sie sind außerdem in der Stadtverordnetenversammlung von Teltow aktiv. Wie lassen sich beide Tätigkeitsbereiche miteinander vereinbaren?
Mir ist es sehr wichtig mitzubekommen, was hier passiert und wie sich Teltow entwickelt. Es ist kein Gegensatz, im Landtag und in als Stadtverordneter tätig zu sein. Im Gegenteil, die Verbindung der beiden Ebenen ist häufig sehr hilfreich.
Auf Landesebene bekommt man natürlich einen viel besseren Einblick, wie es anderen Kommunen und Landkreisen in Brandenburg geht. Es gibt Gegenden mit schwindender Bevölkerungszahl – da schaut man neidisch auf unsere Probleme. Beispielsweise unser Busnetz: Da sind wir in TKS sehr gut aufgestellt. Wobei es auch hier selbstverständlich noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Natürlich pflege ich nicht nur zu Teltow einen engen Kontakt, sondern auch zu den Gemeindevertretern in Kleinmachnow, Stahnsdorf und Nuthetal. Mir ist es sehr wichtig, für alle Menschen in meinem Wahlkreis ansprechbar zu sein.
Mit 25 Abgeordneten ist die SPD stärkste Kraft im Brandenburger Landtag, gefolgt von AFD (23 Abgeordnete). Welche Bedeutung hat dieser Umstand für Sie?
Wir regieren mit der CDU und den Grünen in einer Koalition und stellen bei jeder Debatte fest, dass die AFD keine inhaltliche Oppositionsarbeit macht und daher als Opposition auch nicht stark ist. Die AFD-Landtagsfraktion ist strukturell rassistisch und antidemokratisch und beschränkt sich darauf, jeden Tagesordnungspunkt an ihrem völkischen Weltbild abzuarbeiten. Das fasst mich manchmal richtig an, wie sie in Menschen erster und zweiter Klasse unterteilt. Dabei machten doch so viele unserer Vorfahren auch Fluchterfahrungen und haben Hunger erleiden müssen.
Mit welchen Themen haben Sie sich bisher in den Landtag eingebracht?
Ich habe das Glück, in Bereichen tätig zu sein, den ich von meinem Berufsleben her gut kenne: Arbeitnehmervertretung und Arbeitsmarktpolitik sowie den Öffentlichen Personennahverkehr. Obwohl ich in diesen Bereichen schon gut vernetzt war und viel Vorwissen mitgebracht habe, lerne ich jeden Tag dazu und knüpfe neue Kontakte. Mit der Corona-Pandemie haben sich noch andere Themen in den Vordergrund geschoben und Fragen aufgeworfen, die es schnell zu beantworten gab: Wie können wir das Infektionsgeschehen kontrollieren? Wie können wir die Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unterstützen? Wir hatten keine Wahl als uns dieser großen Herausforderung zu stellen und mit Blick auf das Wohlergehen aller Menschen zu handeln. Als Land Brandenburg haben wir uns beispielsweise dafür eingesetzt, dass das Kurzarbeitergeld gestaffelt ansteigt und bis zu 2 Jahre ausgezahlt werden kann.
Gibt es schon etwas, das Sie als Erfolg verbuchen können?
Wir haben die Landesregierung beauftragt ein in Deutschland federführendes Gesetz für einen Vergabemindestlohn von 13 Euro vorzulegen. Das heißt, dass bei der Vergabe von allen öffentlichen Aufträgen die Beschäftigten in den Unternehmen einen Stundenlohn von 13 Euro erhalten müssen. Das ist mir als Gewerkschafter und Sozialdemokrat wirklich sehr wichtig, weil es ein Lohn ist, der verhindert, dass Menschen in die Altersarmut rutschen. Dafür kämpfe ich und erfahre großen Rückhalt in der Fraktion.
Was ist Ihnen besonders wichtig, das Sie in den verbleibenden vier Jahren der Legislaturperiode angehen wollen?
Ganz wichtig ist mir für unsere wachsende Region, dass auch die Infrastruktur mitwächst. Besonders die Verlängerung der S-Bahn und die Reaktivierung der Stammbahn möchte ich in den nächsten vier Jahren aktiv begleiten. Es ist mein Ziel, dass die Schiene gestärkt wird und die Menschen die Möglichkeit haben, auch ohne Auto zum Einkaufen, zur Arbeit oder zum Sport zu kommen. Das schulden wir auch unserer Umwelt.
Das Miteinander hatte besonders in der Corona-Krise besondere Hoch- aber auch starke Tiefpunkte. Ich möchte mich weiterhin für eine wehrhafte Demokratie einsetzen und dafür werben, wieder mehr aufeinander zuzugehen und Kompromisse auszuhandeln. Hass und Hetze dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.
Apropos ÖPNV: Wie ist der Planungsstand der beiden zentralen Verkehrsprojekte und wie geht es damit weiter?
An beiden Projekten wird aktuell geplant. Klar ist, dass die Reaktivierung der Stammbahn als Regionalverkehrsstecke erfolgen muss. Nur so ist sie ein gewinnbringendes Projekt für alle Beteiligten und die Menschen im Wahlkreis und ganz Süd-West-Brandenburg. Im Moment wird davon ausgegangen, dass die Planung Ende der 2020er Jahre abgeschlossen wird und dass dann noch einige Jahre für den Bau notwendig sind.
Die Verlängerung der S-Bahn von Teltow nach Stahnsdorf / Sputendorfer Straße mit einem Halt in der Iserstraße ist weniger strittig. Aber auch hier sind noch viele Details zu klären, wie zum Beispiel die Querung verschiedener Straßen und der Umgang mit den Buschwiesen. Ich habe viel Verständnis dafür, dass Schienenplanungen sehr komplex sind. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass wir da deutlich schneller vorankommen würden. Die oft überlangen Planungszeiträume stoßen auch bei mir mittlerweile auf geringeres Verständnis und sind den Menschen, die diese Verbindungen brauchen und nutzen wollen, schwer vermittelbar.
Was ist Ihr persönliches Fazit nach einem Jahr Mitglied des Landtags?
Die Arbeit als Abgeordneter gefällt mir sehr, auch wenn es aktuell während der Pandemie natürlich anders ist als gedacht. Es ist besonders schön, wenn die sonst so abstrakten Themen in meinem Wahlkreis eine reale Gestalt annehmen – wenn zum Beispiel ein Gutachten aus dem Landtag dafür sorgt, dass im Güterfelder See hoffentlich bald wieder geplanscht werden darf.
Bild: Redaktion