Immobilienkauf im Umland: Lohnt sich das Pendeln?
Lohnt sich der Häuserkauf im Berliner Umland trotz steigender Immobilienpreise weiterhin? Experten haben im Auftrag der Postbank Kaufszenarien berechnet und stellen fest: Ein Kauf in Bernau oder in Ludwigsfelde lohnt sich am meisten.
Mit dem Kauf einer Eigentumswohnung außerhalb Berlins lässt sich trotz gestiegener Immobilienpreise im Speckgürtel noch Geld sparen. In der Hauptstadt kostet der Quadratmeter im Schnitt gut 5.528 Euro. Mit Ausnahme von Potsdam (5.326 Euro) liegen die Durchschnittspreise in den Umlandkreisen mindestens 1.400 Euro niedriger. Wer sich trotz Arbeitsstelle in der Berliner Innenstadt für das Umland entscheidet, darf jedoch nicht vergessen, dass durch den Umzug in den Speckgürtel für den verlängerten Arbeitsweg zusätzliche Kosten für Benzin oder Zugticket anfallen und mehr Zeit eingeplant werden muss. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hat für die Postbank eine Modellrechnung entwickelt, mit der sich diese Pendelkosten beziffern lassen. Der Postbank-Wohnatlas 2022 zeigt, wie viele Jahre sich der Immobilienerwerb im Umland rechnet und wann der Kostenvorteil durch das Pendeln aufgezehrt ist. Dabei wurde auch der Faktor Homeoffice einberechnet sowie erstmals ebenfalls größere Wohnungen etwa für Familien berücksichtigt.
Verglichen wurde jeweils der Kauf einer durchschnittlich teuren 70-Quadratmeter-Wohnung sowie einer 120-Quadratmeter-Wohnung in Berlin mit dem Erwerb einer gleich großen Wohnung in einer der vier bevölkerungsreichsten Städte oder Gemeinden der angrenzenden Landkreise Barnim, Dahme-Spreewald, Havelland, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Oder-Spree, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming sowie in der kreisfreien Stadt Potsdam. Insgesamt wurden somit 33 Städte und Gemeinden im Berliner Umland betrachtet. Da sich in den Umlandkreisen zwischen zentral und eher abseits gelegenen Gemeinden ein großes Preisgefälle zeigt, sollten Käufer für verkehrsgünstig gelegene Wohnungen mit einem Aufschlag auf den kreisweiten Durchschnittspreis rechnen. Die Experten haben mit einem 20 Prozent höheren Kaufpreis kalkuliert.
Der Kaufpreisvorteil wurde mit den jährlichen Pendelkosten verrechnet. Dabei wurde neben den Kosten für das Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) oder für das Auto samt Benzin auch der höhere Zeitaufwand einbezogen. Die Kosten sowohl für den Weg mit dem PKW als auch mit dem ÖPNV wurden in diesem Jahr angepasst – für das Auto von 0,35 auf 0,45 Euro pro Kilometer und ab 21 Kilometer einfache Entfernung auf 0,43 Euro. Die Fahrt mit Bus und Bahn wurde von 0,10 auf 0,13 Euro angehoben, ab 21 Kilometer auf 0,12 Euro.
Vorteile für Bernau, Ludwigsfelde und Bankenfelde-Mahlow
Wird jeweils eine 70-Quadratmeter-Wohnung verglichen, profitieren Pendler aus Bernau im Landkreis Barnim am längsten vom günstigeren Wohnungskauf im Umland: Wer den Arbeitsweg jeden Tag mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, hat den Kaufpreisvorteil gegenüber Berlin erst nach 31,5 Jahren aufgebraucht, bei täglicher Fahrt mit dem Auto schrumpft diese Zeitspanne auf 12,7 Jahre. Bernau ist die einzige Stadt im Umland Berlins, in der Pendler mehr als 25 Jahre lang profitieren. Über 20 Jahre lang dürfen sich Bus- und Bahnreisende auch in Ludwigsfelde, Blankenfelde-Mahlow, Panketal und Falkensee über eine deutliche Ersparnis durch einen Umzug freuen. In Ludwigsfelde im Kreis Teltow-Fläming profitieren sie laut Modellrechnung 24,4 Jahre lang. Autopendler hingegen verfahren den Kostenvorteil bereits in knapp 10,6 Jahren. Auf Platz drei der besten Standorte für Pendler im Berliner Speckgürtel schafft es Blankenfelde-Mahlow im selben Landkreis. Bus- und Bahnpendler haben das gesparte Kapital rechnerisch nach 22 Jahren aufgezehrt, Autofahrer nach 12 Jahren. Diese Berechnungen gelten, wenn pro Haushalt eine Person täglich pendelt, die kein Homeoffice nutzt. Zudem wurden bei den Kaufpreisen im Umland 20 Prozent Preisaufschlag wegen verkehrsgünstiger zentraler Lage hinzugerechnet.
Täglich pendelnde Autofahrer bleiben im gesamten Berliner Umland deutlich unter der 20-Jahre-Marke. Am längsten profitieren sie noch mit 14,5 Jahren in Panketal im Landkreis Barnim.
Vorteil für Familien mit Platzbedarf
Kinderzimmer, ein größerer Esstisch, mehr Stauraum und ein Arbeitsplatz: Vor allem Familien benötigen viel Platz. 120 Quadratmeter Eigentum in der Metropole sind ohnehin nicht leicht zu finden und mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Wer sich stattdessen für eine gleichgroße Wohnung im Umland entscheidet und täglich mit Bus und Bahn in die City pendelt, profitiert in sechs Städten und Gemeinden über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren vom günstigeren Kaufpreis. In fünf weiteren Orten braucht es mehr als 25 Jahre, bis die Kosten für das tägliche Pendeln den Preisvorteil aufgezehrt haben. Und das selbst dann, wenn für eine zentral gelegene Wohnung im Speckgürtel 20 Prozent mehr veranschlagt werden als im jeweiligen kreisweiten Durchschnitt. Ganz vorn liegt auch bei Familien und anderen Pendler mit erhöhtem Platzbedarf Bernau bei Berlin im Landkreis Barnim. Mit dem ÖPNV rechnet sich der Umzug 54 Jahre und selbst mit dem Auto noch 21,8 Jahre lang. In Panketal im Kreis Barnim kommen Autopendler sogar 24,9 Jahre besser weg, mit öffentlichen Verkehrsmitteln 37,5 Jahre. Wer mit Bus und Bahn in die Berliner Innenstadt pendelt, für den lohnt sich ein Umzug in eine 120-Quadratmeter-Eigentumswohnung außerdem in Ludwigsfelde, Blankenfelde-Mahlow, Falkensee und Hoppegarten mehr als 30 Jahre lang. In Eberswalde und Wandlitz im Landkreis Barnim, Neuenhagen bei Berlin und Strausberg (Landkreis Märkisch-Oderland) sowie Oranienburg im Kreis Oberhavel besteht dieser Vorteil mit ÖPNV noch mehr als 25 Jahre. In Werder (Havel), Eisenhüttenstadt, Kleinmachnow, Beeskow, Lübben (Spreewald), Bad Belzig und Potsdam bestehen Kaufpreisvorteile für große Wohnungen hingegen nur weniger als zehn Jahre.
Wohnen im Grünen, arbeiten in der Metropole – die Corona-Pandemie hat diesen Lebensentwurf für viele attraktiver gemacht. Weniger Präsenzzwang im Büro durch mehr Homeoffice macht es Arbeitnehmer zudem oftmals leichter, auch größere Entfernungen zur Arbeitsstätte in Kauf zu nehmen. Mehr Homeoffice verringert Pendelzeiten und -kosten. Vor diesem Hintergrund haben die Experten des HWWI bereits zum zweiten Mal berechnet, wie lange Käufer vom günstigeren Umlandpreis profitieren, wenn sie mit zwei Homeoffice-Tagen pro Woche planen können und der Preis außerdem 20 Prozent über dem kreisweiten Durchschnitt liegt. Das Ergebnis: Für Pendler mit Homeoffice-Möglichkeit lohnt sich bei Nutzung des ÖPNV ein Umzug in eine 70-Quadratmeter-Wohnung im Umland in sechs Städten und Gemeinden für mehr als 30 Jahre. Für insgesamt elf Orte ergibt die Rechnung Zeiträume von mehr als 25 Jahren. Wenn etwa Familien eine 120-Quadratmeter-Wohnung benötigen und ein Erwachsener zwei Tage Homeoffice einplanen kann, sind sie rein finanziell in der Mehrheit der Umland-Städte und -gemeinden für einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren bessergestellt als in Berlin. Ein Umzug lohnt sich in 22 der betrachteten Orte.
Rentiert sich eine große Wohnung?
Doch was ist, wenn erst mit dem Umzug ins Grüne die Lust auf mehr Platz entsteht? Wenn Eigenheimbesitzer schon den Pendelweg auf sich nehmen, dann soll auch ein Hobbyraum oder ein großzügiges Wohnzimmer dabei sein. Auch diese Bedingungen haben sich die Experten vom HWWI angesehen. Ein Erwerb von 120 Quadratmetern im Umland statt 70 Quadratmetern in der Metropole lohnt sich bei Preisaufschlägen von 20 Prozent in keinem der 33 Umlandorte – weder mit noch ohne Homeoffice. Rein rechnerisch werden überall sogar negative Werte erzielt. Einzig wenn ein Objekt zum Durchschnittspreis des Landkreises erworben werden kann und somit kein Preisaufschlag von 20 Prozent fällig wird, lohnt sich ein Umzug in die deutlich größere Wohnung nach Bernau bei Berlin für gerade einmal 19,1 Jahre und nach Panketal für 13,3 Jahre. Aber nur, wenn zwei Tage Homeoffice eingeplant werden können und der Weg mit dem ÖPNV zurückgelegt wird.
Die HWWI-Analyse soll Kaufinteressierten einen Überblick über die Pendelkosten und die darauf einwirkenden Parameter geben. Unterschiedliche Ausschläge bei den Kosten ergeben sich beispielsweise durch den tatsächlich gezahlten Preis für die Immobilie – ob die Wohnung zum Durchschnittspreis oder mit einem Aufschlag für eine zentrale Lage erworben wurde. Auch die Größe der benötigten Eigentumswohnung, die Wahl des Verkehrsmittels, die Entfernung zum Arbeitsplatz, die Fahrzeit inklusive Stau oder Umsteigen sowie der Durchschnittslohn in der Stadt fließen in die Berechnung ein. Dazu müssen individuelle Homeoffice-Regelungen und Arbeitszeitmodelle bedacht werden – wenn beispielsweise mehr oder weniger als die in der Analyse veranschlagten zwei Homeofficetage pro Woche genommen werden. Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der S-Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen. Auch das kostet Geld. Andererseits ist ein Investment in der Großstadt in den meisten Fällen teurer als ein Kauf im Umland. Höhere Anschaffungskosten ziehen höhere Schulden nach sich, so dass die langfristigen monatlichen Belastungen durch Tilgung und Zinszahlung steigen.
So funktioniert die Modellrechnung
Ausgangspunkt für die Modellrechnung sind die kalkulatorischen Kosten für den Kauf einer 70 Quadratmeter bzw. 120 Quadratmeter großen Eigentumswohnung aus dem Bestand zuzüglich Notargebühren (2 Prozent vom Kaufpreis) und Grunderwerbssteuer in Berlin und im jeweiligen Umlandkreis. Der Erwerb erfolgt zum jeweiligen Durchschnittspreis des Jahres 2021, wobei in den Umlandstädten und -gemeinden der Durchschnittspreis des jeweiligen Landkreises zugrunde gelegt wird. Für die Kalkulation wird angenommen, dass die Fahrtzeiten für den Stadtbewohnenden innerhalb der City identisch sind mit denen des Pendelnden von seiner Haustür zum Bahnhof der betreffenden Stadt und vom Berliner Hauptbahnhof zu seinem Arbeitsplatz. Zusätzliche Zeiten entstehen für Pendler also vom Umland-Bahnhof zum Berliner Hauptbahnhof. Analysiert wurden sowohl die Fahrtzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln (ÖPNV) als auch mit dem Auto. Für die Nutzung des ÖPNV sind verkehrsgünstig gelegene Wohnlagen in den größten Umlandstädten und Gemeinden des Umlandes bei Pendlern besonders begehrt. Diese attraktiven Wohnlagen sind nur in den seltensten Fällen zum Durchschnittspreis des Landkreises zu erwerben. Realistischer ist es daher für Pendler, sich bei der Standortssuche an den Ergebnissen der Berechnungen mit Preisaufschlägen von 20 Prozent auf den Durchschnittspreis der jeweiligen Landkreise bei nicht kreisfreien Städten zu orientieren.
Die Pendelkosten setzen sich aus den Ticketpreisen für Bus und Bahn beziehungsweise den laufenden Kosten für das Auto pro Kilometer zusammen. Hinzu kommen die Zeitkosten: Für den zusätzlichen Zeitaufwand durch das Pendeln in Berlin wurde der im Mittel erzielte Bruttolohn im Jahr 2020 (23,25 Euro je Stunde) veranschlagt. Bereits im zweiten Jahr wurde darüber hinaus eine weitere Variante berechnet: Eine Homeoffice-Lösung erlaubt es dem Berufspendelnden, nur noch an drei statt an fünf Tagen pro Woche ins Büro zu pendeln (130 statt 220 Tage im Jahr).
Annahmen und Berechnungen der Pendelkosten
1. In der Gemeinde des Landkreises wird eine Eigentumswohnung von 70 oder 120 Quadratmetern zum Durchschnittspreis des Landkreises im Jahre 2021 erworben. Alternativ wird eine Eigentumswohnung von 70 oder 120 Quadratmetern in der Metropole zum Durchschnittpreis der Metropole im Jahre 2021 gekauft.
2. Der berechnete Kaufpreis wird um Notargebühren von 2 Prozent sowie der derzeit im Bundesland geltenden Grunderwerbsteuer erhöht.
3. Einsparungen beim Kauf einer Eigentumswohnung im Umland im Vergleich zu einem Kauf in der Metropole werden um notwendige Mobilitätskosten (direkte entfernungsabhängige Mobilitätskosten und bewerteter Zeitaufwand für das Pendeln), die durch den Umzug in das Umland entstehen, reduziert.
4. Zusätzliche Mobilitätszeiten für Bewohner des Umlandes gegenüber den Bewohnern der Metropole entstehen für den Weg vom Bahnhof der Umlandgemeinde zum Hauptbahnhof der Metropole. Alle Pendler nehmen den Weg von Bahnhof zu Bahnhof.
5. Als Pendelzeit für den einfachen Weg wird die kürzeste Reisezeit angesetzt, die mit dem jeweiligen Verkehrsmittel am Dienstagmorgen, 12.05.2020, zwischen 07:00 Uhr und 08:00 Uhr erzielt werden konnte. Damit blieben die Fahrtzeiten im ÖPNV und mit dem PKW gegenüber dem Vorjahr unverändert, da aufgrund der Corona-Beschränkungen die aktuellen Fahrzeiten im PKW-Verkehr nicht das langjährige Mittel widerspiegeln und auch das Angebot im ÖPNV gegenüber dem Normalfahrplan teilweise ausgedünnt wurde.
6. Die Mobilitätszeiten für Hin- und Rückweg sind identisch.
7. Bis (ab) 20 km liegen die Mobilitätskosten pro einfachem Entfernungskilometer nach Abzug der Steuervergünstigungen bei 0,45 (0,43) Euro für den PKW und bei 0,13 (0,12) Euro für den ÖPNV. Diese Kosten wurden in diesem Jahr gegenüber dem Vorjahr erhöht.
8. Der Zeitaufwand für das Pendeln wird mit dem Medianeinkommen von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (Brutto je Stunde) bewertet, der im Jahre 2020 in der Metropole erzielt wurde.
9. Pro Haushalt pendelt ein Arbeitnehmer PM
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