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Zeitzeugin Margot Friedländer an der Eigenherd-Schule

Es war ein besonderer Tag an der Eigenherd-Schule in Kleinmachnow, als die 102-jährige Holocaust-Überlebende Margot Friedländer zu Besuch kam. Trotz ihres hohen Alters zeigte sie sich entschlossen, ihre Geschichte weiterzugeben und den Schülern eine eindringliche Botschaft zu hinterlassen: Seid menschlich!

Die Veranstaltung begann mit einem Film, der Margot Friedländer bei einer Lesung ihres 2008 erschienenen Buches „Versuche, dein Leben zu machen“ zeigte. Der Titel des Buches bezieht sich auf die letzte gleichlautende Nachricht von Margot Friedländers Mutter, die ihr mündlich zusammen mit einer Handtasche über eine Bekannte ihrer Mutter überbracht wurde.

„Die Hand meiner Mutter hat mich geleitet.“

In ihrem Buch schildert Margot Friedländer, wie sie sich von Januar 1943 bis April 1944 als Jüdin in Berlin versteckt hielt. Am 20. Januar 1943 plante die Familie ihre Flucht aus Deutschland, doch genau an diesem Nachmittag wurde Margots Bruder Ralph von der Gestapo verhaftet. Um ihren Sohn nicht allein zu lassen, stellte sich die Mutter selbst der Polizei, nicht ohne vorher ihre Handtasche mit einer Bernsteinkette und einem Adressbuch bei Freunden zu deponieren.

Zunächst ist die junge Frau unsicher, wie sie die Aufforderung ihrer Mutter interpretieren sollte. Sollte sie den gleichen Weg gehen, den ihre Mutter und der Bruder nun erwartete? Oder sollte sie versuchen zu überleben? Sie entschied sich für Letzteres, obwohl das Überleben ungewiss war und die Erinnerung an die Millionen Toten sie immer begleiten würde. Margot Friedländer beschreibt sich selbst als eine der „Übriggebliebenen“ und spricht von einem inneren Kampf mit dem Schuldgefühl des Überlebens.

Margot Friedländer berichtete von den Menschen, die ihr im Untergrund geholfen hatten, oft unter großer Gefahr für ihr eigenes Leben. Ihre Dankbarkeit diesen Menschen gegenüber betonte sie mehrfach: „Es zeigt, dass es auch unter widrigsten Bedingungen Menschen gibt, die Menschen bleiben.“

Nach 15 Monaten im Untergrund wurde Margot Friedländer entdeckt, verhaftet und in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert.

Theresienstadt – Durchgangslager des Schreckens

Das Ghetto Theresienstadt wurde während des Zweiten Weltkriegs im besetzten Teil der Tschechoslowakei, im November 1941 von den deutschen Besatzern in der ehemaligen österreichischen Garnisonsstadt Theresienstadt (Terezín) errichtet. Es war Teil des nationalsozialistischen Zwangslagersystems und wurde als Sammel- und Durchgangslager genutzt.

Theresienstadt war in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnliches Ghetto. Auf der Wannseekonferenz im Januar 1942, auf der die systematische Vernichtung der Juden als „Endlösung der Judenfrage“ geplant wurde, beschloss man, Theresienstadt anders zu nutzen: Es sollte als Ghetto für prominente und alte Juden propagiert werden. Dabei wurde suggeriert, dass der Ort ein Kultur- und Vorzeigelager sei und Pflege im Krankheitsfall bieten würde.

Stattdessen erlebten die Menschen überfüllte Unterkünfte und unmenschliche Lebensbedingungen, darunter Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel sowie beengte und schlecht ausgestattete Unterkünfte, Schmutz und tödliche Krankheit. Ein Viertel der Gefangenen des Ghettos Theresienstadt, etwa 33.000 Menschen, starben dort aufgrund der entsetzlichen Lebensumstände. Etwa 88.000 Häftlinge wurden von dort nach Auschwitz und anderen Vernichtungslagern wie Treblinka, Majdanek oder Sobibor deportiert. Von ihnen überlebten nur etwa 4.000 den Krieg. Unter den Opfern waren auch viele tausend Kinder. (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, Wikipedia)

Ihr seid wichtig!

Nach der filmischen Lesung hatten die Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese zeigten, dass sie sich intensiv mit der Biographie ihres Gastes auseinandergesetzt hatten.

Eine bewegende Antwort gab Margot Friedländer auf die Frage, wie sie sich nach der Befreiung von Theresienstadt gefühlt habe. Statt Freude habe sie Trauer empfunden, da sie die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Bruder und ihrer Mutter noch nicht aufgegeben hatte. Erst die Ankunft der Züge aus Auschwitz im Ghetto Theresienstadt machte schmerzlich klar, dass dies nie geschehen würde.

Auf die Frage, was ihr die Kraft gebe, von ihren Erlebnissen immer und immer wieder zu berichten, antwortet Friedländer es wäre das aufmerksame und zugewandte Zuhören der Menschen, die Fragen, die von großem Einfühlungsvermögen zeugen. Zudem möchte Sie gerade den jungen Menschen klar machen, dass sie nun die Zeitzeugen der Zeitzeugen sind. Sie müssen für Demokratie und Menschlichkeit eintreten, denn das sei das Wichtigste überhaupt.

Die Frage, ob sie jemals Rachegelüste oder Wut auf die Deutschen verspürt habe, verneinte sie. Sie betont, dass die heutigen Generationen keine Schuld an der Shoah trügen, aber die Verantwortung haben, alles zu tun, um eine Wiederholung solcher Verbrechen zu verhindern. „Es liegt an euch, dass so etwas nie wieder passiert. Es geht um eure Zukunft, ihr habt es in der Hand. Seid Menschen. Seid menschlich.“

Margot Friedländers Besuch an der Eigenherd-Schule machte das Unbegreifbare greifbar. Ihre Erzählungen boten eine eindringliche Vorstellung davon, wie das Leben in der NS-Diktatur von Angst, Unsicherheit und Verlust geprägt war. Die Schülerinnen und Schüler erlebten hautnah, was es bedeutete, als Jüdin in einer Gesellschaft zu leben, die sich über viele Jahre hinweg radikalisiert hatte.

Am Ende ihres Besuchs war die Botschaft von Margot Friedländer klar und eindringlich: „Respektiert und akzeptiert jeden Menschen, denn wir alle sind Menschen.“ Ihr Vermächtnis, diese Botschaft weiterzugeben und für Menschlichkeit einzutreten, hinterließ einen tiefen Eindruck bei den jungen Zuhörern.

Fotos: Gemeinde Kleinmachnow