Leichter Anstieg bei Sanierungen: Trotz Fortschritten bleibt das 2-Prozent-Ziel der Bundesregierung in weiter Ferne
In Deutschland wird immer noch zu wenig energetisch saniert. Dabei besteht grade bei einkommensschwachen Haushalten ein erhebliches Potenzial zur Energieeinsparung und Emissionsreduktion durch Modernisierung von Eigenheimen. Denn Haushalte mit geringem Einkommen haben in der Vergangenheit seltener saniert und besitzen zudem häufiger alte, ohnehin modernisierungsbedürftige Gebäude. Gleichzeitig geben sie einen höheren Anteil ihres Einkommens für Heizkosten aus als Haushalte mit mittlerem oder hohem Einkommen. Das zeigen Zahlen aus dem aktuellen Ariadne Wärme- & Wohnen-Panel, in dem mehr als 15.000 Haushalte im vom Bundeministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekt Ariadne jährlich zu ihrer Wohn- und Heizsituation, ihren Einkommensverhältnissen und ihren Einstellungen zur Klimapolitik befragt werden.
Die Ergebnisse des Ariadne Wärme- & Wohnen-Panels zeigen in den letzten Jahren einen leichten Anstieg bei den energetischen Sanierungen von selbstgenutzten Immobilien. „In den Jahren 2022 und 2023 verzeichnen wir eine durchschnittliche Modernisierungsrate von knapp 1,1 Prozent bzw. 1 Prozent bei Eigenheimen. Im Vergleich zur durchschnittlichen Rate von 0,8 Prozent zwischen 2000 und 2020 ist das ein leichter Aufwärtstrend“, erläutert Kathrin Kaestner vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Dennoch bleibt dieses Modernisierungsniveau deutlich unter dem 2-Prozent-Ziel der Bundesregierung für jährliche Sanierungstätigkeit.“
Nachholbedarf besteht vor allem bei einkommensschwachen Eigentümerinnen und Eigentümern: Zwischen 2000 und 2021 lag die jährliche Sanierungsrate von Eigenheimen bei Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen von weniger als 1.700 Euro bei nur 0,61 Prozent, während sie bei Haushalten mit einem Einkommen von 3.200 Euro und mehr 0,84 Prozent erreichte. Einkommensschwache Haushalte leben dabei häufiger in Mehrfamilienhäusern sowie in alten, unsanierten Gebäuden und müssen öfter einen großen Teil ihres Einkommens für Heizkosten aufwenden. Obwohl gerade sie also einen stärkeren Anreiz für Sanierungen haben, deuten Zahlen aus dem Wärme- & Wohnen-Panel darauf hin, dass fehlende finanzielle Möglichkeiten sowie die Wohnsituation Barrieren bei der Umsetzung von Sanierungen für diese Gruppe darstellen. Diese müssen bei der Ausgestaltung einer erfolgreichen Klimapolitik im Gebäudesektor mitgedacht werden. So kann zum Beispiel die CO2-Abgabe auf fossile Heizstoffe nur ihre volle Lenkungswirkung entfalten, wenn Einnahmen genutzt werden, um Hindernisse bei der Sanierung abzubauen.
Klimapolitik im Gebäudesektor: Kluft zwischen Zustimmung zum Klimaschutz und konkreter Maßnahmenunterstützung
Die erhobenen Daten unterstreichen zudem eine deutliche Diskrepanz zwischen der grundsätzlichen Zustimmung zum Klimaschutz in Deutschland und der Unterstützung konkreter Maßnahmen. „Zwar halten rund 80 Prozent der Befragten Klimaschutz für wichtig, doch nur eine Minderheit befürwortet spezifische Maßnahmen wie eine CO2-Abgabe auf Heizenergie“, erklärt Anton Knoche vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dabei bevorzugen Eigentümerinnen und Eigentümer die bestehende CO2-Abgabe gegenüber einem geplanten Einbauverbot fossiler Heizungen, während Mieterinnen und Mieter keine klare Präferenz zwischen diesen Maßnahmen haben. Zudem zeigt sich, dass Haushalte mit niedrigen Heizkosten im Verhältnis zum Einkommen eher bereit sind, klimapolitische Maßnahmen im Gebäudebereich zu unterstützen. Auch regionale Unterschiede sind signifikant: In den neuen Bundesländern ist die Akzeptanz für Maßnahmen geringer als in den alten Bundesländern und insbesondere als in den Stadtstaaten. Bei der Ausgestaltung von klimapolitischen Maßnahmen im Gebäudesektor sollten diese Einstellungen berücksichtigt werden.
Das Ariadne Wärme- & Wohnen-Panel kurz erklärt
Die Ergebnisse des Wärme- & Wohnen-Panels setzen die 2021 gestartete Ariadne-Befragungsreihe zum Aufbau einer neuartigen Datengrundlage zur Heiz- und Energieinfrastruktur in Deutschland fort. Über die kommenden Jahre soll so eine fundierte Datengrundlage zur Wohn- und Heizsituation von Deutschlands Haushalten entstehen. So können künftig die Wirksamkeit von Maßnahmen im Gebäudesektor besser ausgerichtet und konkrete Reaktionen auf Maßnahmen besser verstanden werden. Die dritte Erhebungswelle für das Jahr 2023 wurde von Mitte Mai bis Mitte Juni 2023 durchgeführt. Rund 15.000 Haushalte wurden befragt, davon hatten knapp 70 Prozent bereits an den ersten beiden Befragungen in den Jahren 2021 und 2022 teilgenommen. Rund 65 Prozent der befragten Haushalte wohnten im Eigentum, zur Miete wohnten rund 35 Prozent.
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