Gunter Demnig verlegt sechs neue Stolpersteine in Kleinmachnow
Seit 2005 beteiligt sich auch Kleinmachnow an der Verlegung von Stolpersteinen für Opfer des Nationalsozialismus. Bisher wurden 27 Steine verlegt. Am 24. September wurden sechs weitere Steine für Menschen, deren Schicksale die Stolpersteingruppe Kleinmachnow recherchiert hat, durch den Initiator der Aktion, den Künstler Gunter Demnig, verlegt.
Es regnet, die Stimmung ist herbstlich. Etwa 20 Menschen haben sich vor dem Haus Käthe-Kollwitz-Straße 3 versammelt, um der Verlegung eines Stolpersteins beizuwohnen.
Arthur Schimmelmann, bis 1933 in leitender Position im Berliner Warenhaus Hermann Tietz tätig, suchte hier eine neue Bleibe, nachdem er durch die Nationalsozialisten seinen Arbeitsplatz und seine Dienstwohnung verloren hatte. Dem Engagement der Stolperstein-Gruppe ist es zu verdanken, dass an diesem Tag an sechs jüdische Einwohner der Gemeinde erinnert wird, die nach der Machtübergabe glaubten, hier in Kleinmachnow weniger im Fokus zu stehen und sicherer leben zu können. Während sich vor dem ehemaligen Wohnhaus von Arthur Schimmelmann und seiner Frau weitere Interessierte einfinden, bereitet Gunter Demnig konzentriert, routiniert und unauffällig den Untergrund für die Verlegung der Gedenktafel vor. Stolpersteine gehören mittlerweile in Deutschland und in 32 weiteren Ländern zur Erinnerungskultur an die Opfer des Nationalsozialismus. Seit 1996 hat der heute sechsundsiebzigjährige Künstler bereits 112.000 Stolpersteine verlegt.
Arthur Schimmelmann musste 1941 sein Haus verkaufen. Er lebte in einer sogenannten Mischehe mit einer Nichtjüdin. Doch die Überschreibung des Eigentums an seine Frau wird dem Ehepaar verweigert. Schließlich beziehen sie ein kleines Zimmer im sogenannten „Judensammelhaus“ „In der Drift 12“.
Vor diesem Haus wird ein weiterer Stolperstein verlegt. Die noch lebenden Verwandten sind extra angereist, um der Großtante zu gedenken. Dem harten Kern der Stolperstein-Initiative, bestehend aus sechs geschichtsinteressierten Frauen, ist es gelungen, diese Nachfahren ausfindig zu machen. Die hochgebildete Jüdin Erna Kranz lebte mit ihrem Mann, dem promovierten Altphilologen Walter Kranz, ab 1938 ebenfalls im Haus „Auf der Drift 12“. In der Hoffnung, vor weiteren Anfeindungen sicherer zu sein, zogen sie nach Kleinmachnow. Ihre bisherige Existenzgrundlage in Berlin hatten sie nach 1933 verloren. Auch sie lebten in einer sogenannten „Mischehe“, doch auch die Taufe konnte Erna Kranz nicht vor weiteren Repressalien schützen. In der Minderheitenkartei von 1939 wird Erna Kranz mit dem zusätzlichen Vornamen Sara geführt. Ende 1943 gelingt es dem Ehepaar dank der hartnäckigen Bemühungen von Walter Kranz schließlich, nach Istanbul zu emigrieren, wo er eine Professur erhält.
Arthur Schimmelmann überlebte den Nationalsozialismus dank der Hilfe seiner Frau. Die Ehe mit einem nichtjüdischen Partner bot während des Holocaust zunächst einen brüchigen Schutz vor Deportation und Vernichtung. In akribischer Recherchearbeit haben die engagierten Frauen der Stolperstein-Initiative auch die Geschichte von Eduard Frank (Auf der Drift 11) und der Familie Seidel (Im Dickicht 12) dem Vergessen entrissen.
Der ehrenamtlichen Recherchegruppe dieser Frauen ist es zu verdanken, dass auch in Kleinmachnow inzwischen 33 Stolpersteine an die Schicksale der Kleinmachnower erinnern, die ermordet, deportiert, auf vielfältige Weise gequält und zur Emigration gezwungen wurden.
Einen ausführlichen Artikel über die Stolpersteinverlegung finden Sie in der November-Ausgabe unseres Monatsmagazins Lokal.report.
Fotos: Ute Bönnen