Prominente auf dem Südwestkirchhof: Dieter Thomas Heck
Ein stotternder Brillenträger mit provinziellem Charme – so stellt man sich einen bekannten Moderator, Schlagersänger und die „Allzweckwaffe des ZDF“ (Spiegel) jedenfalls nicht vor. Und doch wurde Dieter Thomas Heck mit seiner ZDF Hitparade so erfolgreich, dass für die meisten Fernsehzuschauer Pop- und Schlagermusik ohne Heck undenkbar war.
Carl-Dieter Heckscher, so sein richtiger Name, wurde 1937 in Flensburg geboren, aber schon kurze Zeit später zogen die Eltern mit ihm nach Hamburg, wo sein Vater, ein außerehelicher Sohn des Carl Gustav Prinz zu Ysenburg und Büdingen, als Verkaufsleiter einer Limonadenfirma arbeitete. Carl-Dieter stotterte als Kind, seitdem er im Krieg während eines Bombenangriffs verschüttet worden war. Mit sehr viel Selbstdisziplin und Ehrgeiz, später auch mithilfe von klassischem Gesangsunterricht, konnte er sich allmählich von diesem Handicap befreien, und das ermutigte ihn, selbst eine Karriere als Schlagersänger anzustreben. Zunächst aber machte Carl-Dieter eine Ausbildung zum Technischen Kaufmann und arbeitete dann als Autoverkäufer bei einem Borgward-Händler. Doch das sollte nur eine Zwischenstation bleiben: 1959 trat er unter dem Namen „Dieter Heck“ in Peter Frankenfelds Talentshow „Toi, toi, toi“ als Nachwuchssänger auf, was ihm einen Plattenvertrag mit 400 DM Monatsgehalt einbrachte, 1961 sang er sogar beim Vorentscheid des Grand Prix Eurovision de la Chanson – allerdings blieb beides recht erfolglos. Vielleicht lag es auch an seinem Aussehen: Auf alten Plattencovern wirkt er fast wie eine jüngere Version von Erich Honecker.
Karriere als Moderator
Zu seiner neuen Karriere als Moderator kam er durch einen Zufall: Während eines Besuchs beim Südwestfunk wurde er gebeten, für einen nicht erschienenen Studiogast einzuspringen. Das machte er so gut, dass er fortan einmal wöchentlich selbst auf Sendung gehen durfte, und als Radio Luxemburg 1964 eine Urlaubvertretung brauchte, übernahm Heck gerne diese Aufgabe. Allerdings gab es dort bereits einen Moderator mit dem Namen Dieter, also bat man das junge Hörerpublikum mithilfe der Zeitschrift „Bravo“, einen neuen Namen für ihn zu finden. Fortan nannte er sich Dieter „Thomas“ Heck. Lange wollte er aber keinesfalls bei diesem Sender bleiben, der ihm nicht erlaubte, eigene Platten zu spielen oder Werbeverträge abzuschließen. So wurde die Europawelle Saar seine nächste Station, wo er den deutschen Schlager mit der Sendung „Die Deutsche Schlagerparade“ und der Preisverleihung „Goldene Europa“ erfolgreich fördern konnte.
Zwei Millionen Zuhörer zog seine Schlagersendung regelmäßig an – und dies machte das ZDF auf ihn aufmerksam. So ging die „ZDF-Hitparade“ 1969 mit Dieter Thomas Heck als Moderator auf Sendung. Bis 1984 blieb sie eine der wichtigsten Musiksendungen im deutschen Fernsehen, wohl weil sie das breite Publikum ansprach und massentauglich war, aber auch, weil die Schlagerstars so gerne bei Heck auftraten: „Niemand konnte mit Worten so charmant und belobigend sein wie er.“ (Lena Valaitis). Hecks Markenzeichen war der extrem schnell gesprochene Abspann der Sendung, in dem er die Namen aller Mitwirkenden herunterratterte.
Bis zur Einstellung der Sendung lief die Hitparade insgesamt 183 Mal über die Fernsehbildschirme – das waren einhundert Sendungen mehr als beim bekannten „Beatclub“, der sich der internationalen englischsprachigen Pop- und Rockmusik widmete. Damit war die „ZDF-Hitparade“ ähnlich erfolgreich wie die „Schlagerrevue“ in der DDR. Die Nachfolger, Viktor Worms und Uwe Hübner, erreichten aber nie die Popularität Hecks, was vielleicht daran lag, dass nicht mehr live und auch auf Englisch gesungen wurde.
Erfolg mit Galas und Benefizsendungen, privates Auf und Ab
Hecks Karriere beschränkte sich nicht auf die Moderation der Hitparade. Beim ZDF entwickelte er sich bald zur „Allzweckwaffe“, die universell für Quiz- und Musiksendungen, Galas und Benefizsendungen eingesetzt werden konnte und jedes Mal ein Millionenpublikum vor die Fernseher lockte. Als Beispiele seien „Die Pyramide“, „Musik liegt in der Luft“, „Melodien für Millionen“ und auch die Galas für die Deutsche Krebshilfe genannt. Bis 2007, kurz vor seinem 70. Geburtstag, hatte er einen festen Vertrag beim ZDF, der aber nicht verlängert wurde. Seine Popularität verhalf ihm danach zu verschiedenen Auftritten in Fernsehserien. Fortan genoss Heck jedoch die Zeit hauptsächlich mit seiner zweiten Frau in der Schweiz und in Spanien, nachdem er seinen Wohnsitz, Schloss Achern, verkauft hatte.
Hecks erste Ehe, aus der zwei Söhne hervorgingen, nahm einen tragischen Verlauf. Seine Frau Edda war eine therapieunwillige Alkoholikerin. Die psychische Belastung muss für Heck enorm gewesen sein – so extrem, dass er seine Frau im September 1971 beinahe erwürgt hätte, wie er später in seiner Biografie gestand. Am Tag darauf habe er seine zweite Frau Ragnhild kennengelernt, das habe ihn vor Schlimmerem bewahrt, schrieb er. 1974 trennte er sich von Edda, 1976 begann seine zweite Ehe. Edda verstarb im Jahr 2000, wie die Bild-Zeitung schrieb, völlig verarmt in Spanien, danach herrschte bis kurz vor seinem Tod „Funkstille“ mit seinen Söhnen.
Zeitlebens war Heck ein Kettenraucher, und so kam die Lungenkrankheit COPD fast unausweichlich. Seine letzten Jahre waren immer stärker von der Krankheit geprägt, das sah man ihm auch an, als er 2017 die „Goldene Kamera“ für sein Lebenswerk erhielt. Kurz vor seinem Tod kam es zwischen ihm und seinen Söhnen wieder zu einer Annäherung, der Bruder jedoch erfuhr von Hecks Tod erst aus der Zeitung. Heck verdrängte den Tod bis zum Schluss: „Ich lehne es ab, darüber nachzudenken, denn ich habe Angst vor dem Tod und auch Angst vor dem Sterben.“ Letztendlich wurde sein qualvoller Tod (mit künstlicher Beatmung im Pflegeheim) am 24. August 2018 von allen, die ihn kannten, als Erlösung betrachtet. „Er war Mentor, hat Talente erkannt, Ideen und Lieder mit einem Millionenpublikum geteilt. Er war für viele von uns wie ein guter Onkel.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich Maite Kelly von Dieter Thomas Heck – und sprach damit wohl vielen Fans aus der Seele. KP
Titelbild: Mario Kacner