Eisbaden – das coole Freizeitvergnügen
Das Wasser des Schlachtensees hat an diesem sonnigen Morgen 2,3 Grad, die Luft gerade mal vier Grad. An den Badestellen sind überall Grüppchen zu sehen, die entweder mit Wollmützen im Wasser stehen, kleine Runden schwimmen, sich Neoprensocken- oder Handschuhe anziehen oder die mitgebrachten Thermoskannen herumreichen. Die Stimmung ist fröhlich und ausgelassen. Zuweilen hallt der Schreck der Ungeübten über den See, die sich ebenfalls mutig ins kalte Nass gewagt haben. Spaziergänger haben die Kälte-Enthusiasten anfangs noch ungläubig beobachtet, doch längst gehören die Winterschwimmer zum vertrauten Anblick, und man geht achtlos weiter.
Seit Corona, als die meisten Sporteinrichtungen geschlossen waren, hat der Trend zum Winterbaden auch hierzulande viele neue Anhänger gefunden. In den skandinavischen Ländern und Osteuropa hat dieses winterliche Vergnügen eine lange Tradition. Unter orthodoxen Christen ist Eisbaden ein „Reinwaschungsritual“. Dort werden im Januar Löcher ins Eis gesägt, das Wasser gesegnet, und alle Altersgruppen steigen anschließend ins eiskalte Nass. Auch in der DDR war Winterschwimmen sehr beliebt. Viele Kälteschwimmer waren in Vereinen organisiert. Das gemeinsame Anbaden am Orankesee an Neujahr oder zum „Eisfasching“ mit dem Verein „Berliner Seehunde“ ist bis heute ein so beliebtes Spektakel, dass es lange Wartelisten gibt. Der Trend zu mehr Gesundheit durch Kälte, seit Kneipp allgemein bekannt, erlangte über die Social-Media-Kanäle und den als „Iceman“ bekannten Extremsportler Wim Hof neue Popularität. Er hat dafür eine eigene Atemtechnik entwickelt, die es erleichtern soll, ins kalte Nass zu steigen.
Am Schlachtensee kann man alle Altersgruppen dabei beobachten, wie sie auf unterschiedliche Weise das Eisbaden oder Winterschwimmen zelebrieren. Gut durchtrainierte junge Russen machen daraus gerne mal eine Mutprobe und sehen den Kältereiz als Teil des Fitnessprogramms, der den Körper stählt. Scheinbar unbeeinflusst machen einige hinterher noch in Badekleidung ihre Sportübungen. Wollen Sie nur ihre Muskeln präsentieren, oder geht es um mehr? Ich frage nach. Es gehe darum, dass das kalte Blut aus der Peripherie nicht so schnell zurück zum Herz fließe, um den Körper nicht unnötig zu belasten. Dann sei der Kälteschauer hinterher wesentlich kleiner.

Andere Gruppen stehen bewegungslos, in Wollmütze bis zum Oberkörper im Wasser, atmen bedächtig und halten die Hände über dem Kopf, da der Körper über den Kopf sehr schnell die Wärme verliert.
Viele, mit denen man spricht, haben sich langsam an die fallenden Wassertemperaturen gewöhnt, in dem sie die Badesaison am Ende des Sommers nicht auslaufen ließen. So konnten sich ihre Körper langsam an das kälter werdende Wasser gewöhnen. Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Gefäßproblemen sollten davon absehen oder zumindest vorab ihren Arzt befragen. Es ist ratsam, nicht alleine im Winter baden zu gehen, damit notfalls schnelle Hilfe kommen kann.
Das Baden in Eislöchern ist durch die warmen Winter kaum mehr möglich. Achtsamkeit ist dennoch angesagt, wenn der See teilweise zugefroren ist und einzelne dünne Eisflächen auf der Wasserober-fläche treiben. Die Kanten sind teilweise scharf wie Glas, und im kalten Wasser bemerkt man kleinere Schnittwunden zunächst kaum.

Dass der Körper sich an das Winterschwimmen gewöhnt, habe ich selbst festgestellt. Im ersten Winter fühlte sich der Einstieg in das eiskalte Wasser anfangs wie Nadelstiche auf der Haut an, doch mittlerweile nach drei Jahren ist das problemlos. Der Moment des Eintauchens ist jedes Mal sehr besonders. Automatisch konzentriert man sich auf die Atmung, die ruhig und gleichmäßig bleiben sollte. Sobald der Körper sich umgestellt hat und mit der Kälte umgehen kann, ist es großartig, mit bedächtigen Schwimmzügen den winterlichen See zu genießen. Es ist jedes Mal ein kurzer Moment von Entschleunigung, konzentriert auf den Körper und die Atmung. Je nach Wassertemperatur und aktueller Konstitution fällt die Runde unterschiedlich lang aus. Es gibt die Empfehlung, die Schwimmdauer an die aktuelle Wassertemperatur anzupassen. Jetzt um diese Jahreszeit also in etwa zwei bis drei Minuten. Mit der Zeit entwickelt man ein eigenes Gefühl dafür, wann es genug ist. Spätestens wenn die Füße oder Händen zu frieren beginnen, schwimme ich zurück.
Hinterher steigt man mit rotem Körper aus dem Wasser. Die Durchblutung ist, ähnlich wie bei der Abkühlung nach dem Saunagang, so angeregt, dass man sich wohlig warm fühlt und hellwach ist. Dass Kaltschwimmen zudem einen euphorisierenden Effekt hat, sieht man an den fröhlichen Gesichtern der Winterschwimmer.

Trotz des warmen Glücksgefühls ist es ratsam, sich danach langsam warm anzuziehen. Nach einer Weile kommt meist ein Kälteschauer, wenn die Gefäße sich wieder weiten und das kalte Blut aus der Peripherie zurückfließt. Mir hilft es, wenn ich danach noch eine längere Strecke zügig am See entlangspaziere, um den Körper wieder aufzuwärmen. Ich habe festgestellt, dass ich seitdem kaum noch Erkältungen habe und auch die ein oder anderen Gelenkschmerzen sich deutlich verbessert haben. Zu den Wirkungen des Eisbadens findet man im Internet die unterschiedlichsten Aussagen und Studien. Auch wenn mich einige Menschen für verrückt erklären, die Freude am Winterschwimmen möchte ich, wie viele andere, nicht mehr missen und genieße das Privileg, einen See in der Nähe zu haben.
Fotos: Ute Bönnen