Genesung auf der Überholspur
„Gefühlte Wahrheiten“ gibt es viele – manchmal auch in der Medizin. Hierzu zählt der Glaube, dass sich Patienten nach einer OP schonen und lange im Bett bleiben sollen. Diese Vorstellungen sind aber überholt. Das Gegenteil hilft, wie das ERAS®-Konzept mit seinen vielfältigen Maßnahmen nachweislich belegt. Die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive Chirurgie am Helios-Klinikum Emil von Behring setzt dieses Konzept optimal um und wurde hierfür nun von der internationalen ERAS®-Gesellschaft zertifiziert. In Berlin gibt es nur zwei weitere Kliniken mit dieser Auszeichnung. Deutschlandweit sind es insgesamt lediglich neun.
Chefarzt Prof. Dr. med. Marc H. Jansen erklärt dazu: „Wir freuen uns sehr über die Bestätigung der ERAS®-Gesellschaft, dass wir das Konzept optimal umsetzen. Für unsere Patientinnen und Patienten bedeutet die schnellere Aktivierung nach der OP konkret, dass sie weniger kraftlos sind, weniger Kreislaufprobleme haben oder Muskelmasse verlieren, auch das Thromboserisiko wird reduziert. Bildlich gesprochen sitzen unsere Patientinnen und Patienten einen Tag nach dem Eingriff wieder in Sonntagskleidung am Tisch und nicht im Bademantel.“ Dr. med. Alex Fries, die Projektkoordinatorin des ERAS®-Konzepts der Klinik ergänzt: „Zur Zertifizierung gehört unter anderem, dass wir eine speziell weitergebildete ERAS-Nurse im Team haben, die auf die korrekte Ausführung der Maßnahmen achtet. Insgesamt können sich unsere Patientinnen und Patienten also darauf verlassen, dass sie bei uns optimal behandelt werden und dabei so wenig Krankenhaus wie möglich und so viel wie nötig erwarten können.“
Damit chirurgische Patienten für ihren Genesungsprozess auf der Überholspur sind, werden unter anderem folgende Maßnahmen des ERAS®-Konzeptes umgesetzt:
- Prä-operative Maßnahmen (vor dem Eingriff): Auf Darmspülungen vor der OP wird in der Regel verzichtet und die Nüchternheitsphase deutlich verkürzt. Das heißt, dass Patienten normal zu Abend essen und bis Mitternacht leichte Kost zu sich nehmen dürfen. Am Operationstag dürfen und sollen sie bis zum Abruf zur Operation klare Flüssigkeiten trinken, gerne auch Tee oder Kaffee, auf Wunsch mit Zucker und/oder wenig Milch.
- Intra-operative Maßnahmen (während des Eingriffs): Durch das minimal-invasive Operationsverfahren („Schlüssellochtechnik“) und sparsame Hautschnitte wird die Belastung für den Körper so gering wie möglich gehalten. Wunddrainagen, Blasenkatheter und Magensonden werden nicht mehr routinemäßige angelegt. Die Narkose erfolgt in der Regel mit kurzwirksamen Medikamenten. Durch den zusätzlichen Einsatz von Regionalanästhesieverfahren werden zudem weniger Schmerzmedikamente benötigt.
- Besonders die post-operativen Maßnahmen (nach dem Eingriff) sind für Patienten oftmals ungewöhnlich aber für den schnellen Genesungsprozess wichtig: Sobald die Patienten ausreichend wach sind, bekommen sie etwas zu trinken und ein Wassereis. Zudem sollen sie einen Kaugummi kauen, der die Darmaktivität anregt. Zurück auf der Station stehen die Patienten in Begleitung des Pflegepersonals das erste Mal auf und gehen ihre ersten Schritte. Ab dem ersten postoperativen Tag kommt die Physiotherapie, um täglich mit den Patienten zu trainieren und die Mobilität zu fördern. Idealerweise sind sie bereits am ersten Tag nach dem Eingriff mindestens 4 Stunden außerhalb des Bettes, ab dem zweiten Tag sind es mindestens 6 Stunden. Eine möglichst normale Kost wird kontinuierlich gesteigert.