Berlin

Koreanisches Symposium in Berlin

Vor 30 Jahren fand auf deutschem Boden die Wiedervereinigung statt. Auf der einen Seite stand ein Land, dass sich bei der Staatsgründung 1949 zum Sozialismus und später zum Warschauer Pakt bekannt hatte; auf der anderen Seite ein Land mit einer freien und sozialen Marktwirtschaft und Zugehörigkeit zum Verteidigungsbündnis der NATO. Natürlich gab und gibt es immer noch diesen oder jenen Punkt bzw. Auslegung im Einigungsvertrag, wo man jetzt und heute genauer hinschaut und die Frage stellt: „Haben wir alles richtig gemacht damals?“ Kann es darauf eine einzige und richtige Antwort überhaupt geben? Eines war doch allen Beteiligten von vornherein klar: Eine Wiedervereinigung auf deutschem Boden hatte es vorher noch nie gegeben! Also gab es keinerlei Erfahrungswerte, was man bei einer Wiedervereinigung alles zu tun und zu lassen hat. Wichtig war und ist ja das Fazit: Die trennende, tödliche Grenze, die Deutschland teilte von 1961 bis 1989, ist glücklicherweise Geschichte. Das Glück der Wiedervereinigung gibt es (noch) nicht überall auf der Welt, obwohl es die Menschen dort auch mit großer Mehrheit herbeisehnen. Eine Trennung von Menschen mit gleicher Kultur und Sprache findet auch in Fernost statt. Eine Trennung, die keinerlei Durchlässigkeiten kennt, findet man in Korea vor. Von 1950 bis 1953 fand der Koreakrieg statt. Seit dem Waffenstillstand, denn ein offizielles diplomatisch verkündetes Kriegsende gibt es bis heute nicht, sind Koreaner im Norden des Landes von Koreanern im Süden getrennt. Nordkorea gehört zu den Ländern weltweit, wo kaum Nachrichten nach außen hin dringen. Da man bereits in Deutschland Erfahrungen mit einer Wiedervereinigung gemacht hat und die Koreaner noch keine, was liegt da näher, als dass sich Koreaner in Deutschland darüber informieren, wie eine Wiedervereinigung abläuft? Das war am 21. und 22. Juni in einem Hotel in Berlin-Mitte am Potsdamer Platz der Fall. Das aus Südkorea stammende Institut „Dongwha Research“ hatte zu einer Tagung eingeladen, die hochkarätig besetzt war. So nahmen an dieser Tagung gleich zwei ehemalige Minister teil. Dr. Werner Fasslabend war von 1990 bis 2000 Bundesminister der Verteidigung in Österreich, von 1987 bis 1990 und von 2000 bis 2007 war er Mitglied des Parlaments in Österreich. Prof. Dr. Alexandr Vondra war von 2006 bis 2007 Außenminister Tschechiens und von 2010 bis 2012 Verteidigungsminister. Dr. Claus J. Duisberg war bis zum Erreichen seiner Pensionierung deutscher Botschafter in Brasilien. In der Wendezeit wickelte der Diplomat das Außenministerium der DDR ab. Die DDR war ihm sehr gut vertraut. Eine seiner Stationen in seiner diplomatischen Laufbahn führten ihn als jungen Diplomaten seinerzeit nach Ost-Berlin an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. Dr. Duisberg wies in seinen Ausführungen darauf hin: „1989 fand auf deutschem Boden etwas statt, was kaum jemand für möglich gehalten hatte.“ Grenzen, wie sie die Alliierten 1945 beschlossen hatten, gerieten ins Wanken. „Nicht nur die Geografie spielte 1989 eine sehr entscheidende Rolle. Das traf auch auf die Wirtschaft zu. Rund jeder sechste Erwerbstätige in der DDR war damals in einer Einrichtung beschäftigt gewesen, die man zum Öffentlichen Dienst gezählt hatte. Der Übergang dieser vielen Beschäftigten in den Öffentlichen Dienst der Bundesrepublik war unmöglich, das gab der Stellenplan gar nicht her. Natürlich war dieses Thema seinerzeit sehr heikel, viele dieser Mitarbeiter mussten sich dann arbeitslos melden.“ Da kommen auf jeden Fall auf Korea, egal wann eine Wiedervereinigung stattfinden wird, gleiche Probleme zu. Man war sich aber allgemein einig, eine Wiedervereinigung zum Nulltarif wird es nirgendwo geben! „Man kann eine Wiedervereinigung keinesfalls mit einer anderen Wiedervereinigung gleichsetzen“, betonte Generalkonsul a. D. Chang See-Jeong. Der südkoreanische Diplomat war einst auch an der Botschaft seines Landes in Deutschland tätig. Er verwies auf ganz andere Strukturen, die man aus diplomatischer Sicht bedenken muss. „Deutschland war 1945 besiegt worden und hatte die Kapitulationsurkunde unterschrieben. Damit war und ist aus der Niederlage Deutschlands ein verbindlicher Vertrag geworden. Die vier Siegermächte teilten das besiegte Deutschland so auf, wie man es auf der Konferenz in Potsdam im Sommer 1945 einvernehmlich beschlossen hatte. Den Beschluss hatten nur die vier Siegermächte gefasst, Deutschland hatte überhaupt kein Mitspracherecht. Bei Korea gibt es weder Sieger noch Besiegte.“ Die „Wiedervereinigung, so sie denn käme, machen beide Koreas unter sich aus.“ Die sogenannten „Deutschland betreffenden zwei plus vier Gespräche und später der zwei plus vier Vertrag treffen auf Korea nicht zu.“ Natürlich hat jedes Korea seine „Schutzmächte, da sind für den Norden die Volksrepublik China und für den Süden natürlich die USA zu erwähnen“, aber Schutzmächte können eine Wiedervereinigung weder verhindern noch gestatten. Hätte 1990 bei den Verhandlungen um die deutsche Einheit sich eine Siegermacht gegen einen Zusammenschluss von der DDR und der Bundesrepublik Deutschland gewehrt, wäre sie nicht zustande gekommen. Der in Schleswig-Holstein praktizierende Arzt Dr. med. Dieter Schmidt leitet in Europa ehrenamtlich die „Universal Peace Federation“, (UPF). Sie ist eine weltweit vertretene Nicht-staatliche Organisation. Das Ziel der UPF ist es u. a., Maßnahmen zur Überwindung von Konflikten aufzuzeigen. Er betonte: „Ein großes Problem muss zuallererst gelöst werden. Da ist eine Angst auf beiden Seiten vorhanden. Der Süden hat Angst vor dem Norden, der Norden hat Angst vor dem Süden. Dabei ist es unerheblich, ob die Ängste berechtigt sind oder nicht, sie sind zumindest in den Köpfen der Menschen Koreas vorhanden.“ Die Veranstalter teilten auch mit, dass man Diplomaten der Botschaft der Volksrepublik Korea eingeladen hatte und man am Anfang der Planungen zu dieser Konferenz in Berlin noch große Hoffnungen gehabt hatte, dass die Botschaftsvertreter Nordkoreas zusagen werden. Eine Zusage   kam am Ende bedauerlicherweise doch nicht zustande. Zum Schluss der Tagung sahen sich die Gäste Stätten der Berliner Teilung an. Darunter durfte das Brandenburger Tor natürlich nicht fehlen. Dabei wurden die Koreaner schmerzhaft daran erinnert, dass ihr Land noch immer geteilt ist und wohl nur Hellseher voraussagen können, wann aus zwei koreanischen Staaten ein Korea entstehen wird.

Text/Foto: Volkert Neef