Auf Visite mit den Klinikclowns
„Nono, du machst ja gar nicht mit“, ruft „Hella Propella“ ihrer Kollegin zu. Umringt von einer Schar lachender Kinder läuft sie der Clownsfrau mit der gelben Mütze hinterher und zieht sie wieder zurück ins Getümmel. Schließlich wollen die beiden gleich mit den Kindern ins Schokoladenland fliegen, da wird jede Hand gebraucht. Mit einigen bunten Tüchern wird kurzerhand eine Telefonleitung gebastelt, damit sie sich im Schokoladenland anmelden können. Dann stimmen sie ein Kinderlied an, „Hella“ auf der Klarinette, „Nono“ auf dem Akkordeon, und springen fröhlich durchs Foyer. Die Kinder kleben gebannt an ihren Lippen und sind gespannt, was als Nächstes kommt.
„Hella Propella“ und „Nono“ heißen eigentlich Nicola Streifler und Noriko Seki. Sie gehören zu den Potsdamer Klinikclowns und sind heute zu Besuch im neurologischen Rehabilitationszentrum in Brandenburg, um den kleinen Patienten, die oft monatelang in der Reha sind, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern oder sie einfach nur in den Arm zu nehmen.
Clown aus Leidenschaft
Die Potsdamer Klinikclowns gibt es seit 2009. Nicola selbst gründete die Initiative. Für sie ist die Arbeit als Klinikclown nicht nur Hobby, sondern Beruf. Seit 2002 arbeitet die Sprachtherapeutin und Theaterpädagogin als Klinikclown. „Als ich von den Klinikclowns gehört habe, wollte ich das unbedingt auch machen. Ich kenne Kliniken selbst als Patientin und als Angehörige. Der frische Wind einer unabhängigen Person hat mir da sehr gefehlt.“
Nicola besuchte die Clownsschule und bildet sich seitdem ständig weiter. Seit einigen Jahren gibt sie auch selbst Humor- und Clownskurse. Schauspielerin Noriko kam 2012 zu den Klinikclowns und gründete zusammen mit Nicola den Potsdamer Klinikclowns e. V.
Insgesamt gibt es acht Clownskollegen in Potsdam zwischen 25 und 60 Jahren. Die Clowns sorgen in Einrichtungen in ganz Brandenburg für frischen Wind. Anfangs waren sie ausschließlich in Krankenhäusern unterwegs, mittlerweile haben sie ihr Einsatzgebiet auf Hospize, Senioren- oder Flüchtlingsheime ausgedehnt. Sie sind eben überall da, wo sie gebraucht werden. In ganz Deutschland gibt es rund 300 Klinikclowns, 16 der 30 Vereine sind im Dachverband organisiert.
Finanziert wird die Arbeit der Clowns durch Spenden und Förderer, von denen es wie bei fast allen Vereinen viel zu wenige gibt. Die Einsätze selbst werden honoriert, alles rund um die Vereinsarbeit, Training, Fortbildungen, Coachings, Supervisionen oder die Netzwerkarbeit werden ehrenamtlich organisiert. „Wir versuchen aber mindestens alle zwei Wochen in einer Einrichtung zu sein“, erklärt Nicola. In Brandenburg halten sie eine Dreiviertelstunde eine Sprechstunde im Foyer ab, danach sind sie auf Visite in den Zimmern.
Nach der Ankunft in der Klinik geht es zur Übergabe ins Schwesternzimmer: Dort werden die Klinikclowns eingewiesen. Neue Patienten werden vorgestellt, Informationen über die alten auf den neuesten Stand gebracht. Nicola fragt genau nach, wie die Patienten drauf sind, welche gesundheitlichen Veränderungen es gibt. Das ist wichtig, falls spezielle Vorsichtmaßnahmen zu beachten sind. „Wir spielen niemals an den Geräten rum und halten uns an alle Vorschriften und Hygienemaßnahmen.“
Danach beginnen Nicola und Noriko sofort mit dem Ankleiden. Sie haben für ihr gesamtes Programm nur bis zum Mittag Zeit, danach geht es weiter in die nächste Klinik. Nicola schlüpft in ein blaues Tupfenkleid, flechtet sich drei Zöpfe und malt sich am Ende einen roten Punkt auf die Nase. „Die rote Nase gilt ja als die kleinste Maske der Welt.“ Mehr brauche es nicht, um jemanden in die Welt der Clowns einzuladen.
Dann schnappt sich Nicola den großen braunen Koffer mit den Spielsachen, Noriko schnallt sich ihr Akkordeon um – und dann sind sie plötzlich nur noch „Hella Propella“ und „Nono“. Auf dem Weg zur Clowssprechstunde treffen sie auf Steffi und laden sie ein, mitzukommen. Im Foyer haben sich bereits einige Kinder mit ihren Eltern oder den Schwestern versammelt. Julia kann es gar nicht erwarten und will gleich schon mal mit den Clownsfrauen den Koffer auspacken. Hella Propella stellt ihn ab, schaut in die Runde und überlegt, was sie jetzt tun soll. Die Clowns haben einige Stücke im Repertoire, aber streng nach Programm spielen sie nie.
Und so ergibt sich nach und nach die Reise ins Schokoladenland, nächstes Mal geht es vielleicht auf den Mond oder ins Märchenland. Es kommt ganz darauf, wie die Kinder sich einbringen, ihre Vorschläge werden immer mit einbezogen. „Jede unserer Vorstellungen ist anders, denn wir wissen nie, wie die Kinder reagieren“, erklärt Nicola. „Aber das ist ja auch das Schöne daran.“
Mal laut und mal leise
Die Sprechstunde ist gerade vorbei, da kommt Helge auf seinem Fahrrad angefahren. „Oh, was hast du denn da?“, fragt Hella Propella. „Nimmst du mich mit?“ Schon sitzt sie auf dem Gepäckträger. „Schneller“, ruft sie und Helge steuert den Gang entlang. Anschließend spielt Hella Propella zusammen mit einer kleinen Patientin Mittag auf dem Flur. Das gehöre eben auch dazu, erklärt sie später. Aber eben nur als Spiel. Essen und dann noch auf dem Boden entspricht natürlich nicht den Hygienevorschriften in einem Krankenhaus.
Für die Visite bleibt nun etwas weniger Zeit. Nicola überfliegt den Zettel mit den Patienten und überlegt sich schnell, wer jetzt am meisten Unterstützung braucht. Dann klopfen Nono und Hella Propella leise an die Tür und fragen, ob sie reinkommen dürfen. Das macht das Clownsgespann immer, denn nicht überall ist den Kindern oder den Eltern nach dem quirligen Besuch. Hier sind sie willkommen. Die russischen Eltern verstehen nur wenig Deutsch, aber Nono und Hella Propella wissen die Sprachbarrieren zu überbrücken.
Sie holen ihre Seifenblasenfläschchen heraus und schon ist das Zimmer gefüllt mit den schillernden Kugeln, die in der Luft schweben und nach und nach zerplatzen. Zwar kann Natalia ihre Meinung nicht mit Mimik oder Gestik zeigen, aber Vater Vitali signalisiert den Clowns, dass sie weitermachen sollen. Und so pusten sie Seifenblasen, bis das ganze Zimmer gefüllt ist. Einige Minuten später verabschieden sich die beiden und steuern das Zimmer von Julian an.
„Er hat sich schon auf euch gefreut“, werden die Clowns von seiner Mutter begrüßt. Der Junge hatte nach einem Sturz eine Hirnblutung, kann sich nur wenig bewegen. Hella Propella beginnt zu singen, da verzieht Julian den Mund, er mag lieber Witze. Als Nono und Hella Propella dann aber ein lustiges Lied anstimmen und so Gesang und Komik mischen, muss er doch lachen. Dann sind die Clowns beim letzten Zimmer angekommen.
Das kleine Mädchen dort will nach einer langen Untersuchung nur noch schlafen. Hella Propella erkennt schnell, dass hier kein lautes Programm gefragt ist. Sie holt die Spieluhr aus dem Koffer und nach einigen Minuten ist die Kleine eingeschlafen. Manchmal reichen den Clowns eben auch die leisen Töne, um ein wenig Freude zu geben.
Text/ Fotos: Andrea Nebel