Der Trend zum Minihaus
In einer Umfrage des Hypothekenvermittlers Interhyp äußerten 23 Prozent der Befragten, dass sie sich ein Leben in einem Tiny House vorstellen könnten, 34 Prozent sogar in einem Hausboot und 14 Prozent in einem Baumhaus. Der Trend hin zum Leben auf kleinem Raum und nah an der Natur ist unübersehbar. Doch auch hier gibt es Beschränkungen, Bauvorschriften und Bürokratie.
Die Tiny-House-Bewegung hat ihren Ursprung in den USA, wo Architekten und Designer einen Gegenpol zu den immer größer werdenden Einfamilienhäusern setzen wollten. Großes Interesse gab es 2008 nach der Finanzkrise, als viele Hauseigentümer in den USA wegen Überschuldung ihr Eigenheim verloren und der Umzug in ein Tiny House oder ein Mobile Home (die etwas größere Variante) praktisch die einzige finanzierbare Alternative darstellte. Wird diese Wohnform in den USA also mit Armut und sozialem Abstieg in Verbindung gebracht, ist es in den letzten Jahren in wohlstandsgesättigten Kreisen in Mitteleuropa zum Trend geworden – unter anderem bei Leuten, die „schon alles haben“. Das hat sicher auch mit der Corona-Pandemie zu tun, wo viele den Vorteil des Arbeitens im Home-Office schätzen lernten, aber auch mit der Sehnsucht von Großstadtbewohnern nach Natur oder dem vermeintlich guten Gefühl, wenn man auf Platz, Komfort und persönliche Gegenstände – zumindest teilweise – verzichtet. Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ und „Energiesparen“ werden ebenfalls mit der Beschränkung von Wohnraum und Konsum assoziiert.
Eine weitere Interessentengruppe findet man unter Stadtbewohnern, die ein eigenes kleines Feriendomizil auf dem Land suchen und es an Wochenenden oder im Urlaub nutzen wollen. Hier reizt nicht nur das nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen gestaltete Ferienhaus, sondern auch die – zumindest theoretische – Möglichkeit, sein kleines Wochenendhaus bei einem Ortswechsel einfach mitzunehmen.
Ihr Übriges tun die stark gestiegenen Immobilienpreise, die es vielen Menschen schlicht unmöglich machen, ein Eigenheim zu erwerben – für sie ist ein Minihaus eine erschwingliche Alternative. Zu beachten ist jedoch, dass man selbst Tiny Houses nicht einfach irgendwo hinstellen kann.
Die Vorschriften
Bevor man sich mit dem Erwerb eines Tiny Houses befasst, sollte man sich genau darüber informieren, welche Finanzierungsbedingungen und Bauvorschriften zu beachten sind – und nicht zuletzt muss man die Möglichkeit haben, es auf einem Grundstück aufzustellen. Zunächst sollte man sich für eine Bauform entscheiden, denn Konditionen und Vorschriften hängen von der Größe und Mobilität ab.
Ein Tiny House auf Rädern darf nicht mehr als 25 Quadratmeter Grundfläche haben und ist erstmal ein Wohnwagen mit maximal 3,5 Tonnen Gewicht. Sobald es aber fest auf einem Grundstück steht, unterliegt es den Vorschriften der Landesbauordnung. Wenn man dauerhaft im Tiny House wohnen will, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein: Man benötigt ein Grundstück, das zum Wohnen zugelassen ist. Meist wird durch örtliche Bebauungspläne oder eine Ortsgestaltungssatzung geregelt, welche Arten von Häusern gebaut werden dürfen. Die wenigsten Auflagen gibt es in einem Sondergebiet oder in „Gebieten zur Entwicklung der Wohnnutzung“. Aber auch dort muss das Grundstück erschlossen sein, das heißt, es muss an das öffentliche Straßen- und Wegenetz und an das Ver- und Entsorgungsnetz angebunden sein.
In vielen Fällen muss eine Baugenehmigung beantragt werden – nur auf Campingplätzen entfällt diese – und die Genehmigung wird nur erteilt, wenn eine Küche und eine Toilette vorhanden sind und die Raumhöhe mehr als 2,40 m beträgt. Holzgebäude brauchen dazu oft noch eine Blitzschutzanlage. Treppen, Fenster, Fluchtwege und Statik müssen der Landesbauordnung entsprechen. Bewohnt man das Haus länger als vier Monate im Jahr, ist das Gebäudeenergiegesetz zu beachten, also für ausreichende Dämmung und effektives Energiemanagement zu sorgen. Das verteuert das Bauvorhaben erheblich: Ein dementsprechend konzipiertes Tiny House kann bis zu 120.000 Euro kosten, erfüllt dann aber den EFH-55-Effizienzhaus-Standard. Einfachere Tiny Houses sind ab zirka 40.000 Euro zu haben. Neben einem kleinen Wohnraum mit Kochnische und Essplatz verfügen sie über eine Schlafmöglichkeit (meist oben über eine Leiter zugänglich) und einen spartanisch-beengten Sanitärbereich. Wie gesagt: Alle diese Häuser bieten eine sehr begrenzte Wohnfläche. Ein weiterer Nachteil: Oft können sie nur durch einen Ratenkredit finanziert werden, weil grundbuchgesicherte Hypotheken von den Banken erst bei größerer Wohnfläche genehmigt werden. Geeignete Grundstücke kann man im Internet finden, beispielsweise auf der Seite https://rolling-tiny-house.de finden sich entsprechende Links.
Wohnen mit Einschränkungen
Wie lebt es sich unter solch beengten Verhältnissen? Unter dem Pseudonym Max Green dokumentiert ein junger Brandenburger Familienvater sein Leben auf kleinem Raum. Nachdem er und seine Partnerin fast alle Besitztümer verschenkt haben, sind sie mit ihrer kleinen Tochter vor vier Jahren in ein Tiny House gezogen. Wer seinen Blog verfolgt, erfährt, dass der Familie auf 25 Quadratmeter Grundfläche ein Wohnzimmer mit offener Küche zur Verfügung steht, ein erstaunlich geräumiges Badezimmer mit Badewanne und Dusche, ein Arbeitsbereich auf einer Galerie sowie ein Schlafzimmer, das auf einer 3 Quadratmeter großen Empore untergebracht ist. Selten haben Gegenstände nur eine Funktion: Unter der Treppe, die zum Schlafzimmer führt sind Schränke entstanden, und mit ein paar Handgriffen lässt sich ein Wandspiegel in einen Esstisch für vier Personen verwandeln. Geheizt wird mit Propangas und einem Kaminofen, und Minimalismus gehört zur Lebensphilosopie des Paares. Dennoch ist es laut Green nicht einfach, Ordnung zu halten und Privatsphäre zu ergattern.
Gut drei Jahre lang haben Max Green und seine kleine Familie in ihrem Tiny House gelebt. Vor rund einem Jahr sind sie umgezogen in ein Schwedenhaus, das immer noch relativ klein ist, aber deutlich mehr Platz bietet. Als das zweite Kind auf die Welt kam, ist es ihnen zu eng geworden.
Die Nachfrage ist groß
Für Tiny Houses gibt es mittlerweile mehr als 70 Hersteller in Deutschland, die Nachfrage ist groß und sogar im Onlineversand lassen sich bezugsfertige Tiny Houses ordern. Eine Wohnungsgenossenschaft in Beeskow hat eine Minihaussiedlung mit 14 Einfamilienhäusern errichten lassen und berichtet von reger Nachfrage durch Mieter. Auch als Studenten- oder Obdachlosenunterkünfte wurden Tiny Houses schon genutzt – und nicht zuletzt haben sie sich in Katastrophengebieten als schnell herzustellende Ersatzwohnungen bewährt. Der Flächenbedarf ist gering, das ist von Vorteil, und der Anschaffungspreis liegt weit unter dem einer Eigentumswohnung oder eines normalen Einfamilienhauses.
Wer einmal in einem kleinen Haus probewohnen möchte, könnte in entsprechenden Wohnparks fündig werden. Es gibt mittlerweile viele in ganz Deutschland, die zum Probewohnen einladen. Dort findet man eine bestehende Infrastruktur und Gleichgesinnte – für Neulinge ein großer Vorteil.
Größere Alternativen
Mit einer Wohnfläche von bis zu 100 Quadratmetern können Modul- oder Minihäuser mehr Platz und Komfort bieten. Gewichtsbeschränkungen gibt hier nicht, aber natürlich muss man die örtlichen Bauvorschriften beachten, auch was Material und Dachform anbelangt. Zu Wohnzwecken umgebaute Container oder modulare Systembauten werden von zahlreichen Herstellern angeboten. Mittlerweile sehen sie überhaupt nicht mehr wie ein Behelfsgebäude aus, und auch beim Wohnklima muss man keine Abstriche machen. Trotzdem sind diese Häuser mobil, denn sie können mit einem Tieflader an einen anderen Ort gebracht werden. Minihäuser hingegen sind meist ortsfest und werden von Fertighausanbietern errichtet. Sie entsprechen in Aussehen und Komfort durchaus höheren Ansprüchen an die Wohnqualität, natürlich zu etwas höherem Preis. Eins dieser Gebäude kann im Musterhauspark in Werder besichtigt werden. Denkt man an den Vorteil, im eigenen Haus und dem umgebenden Garten viel Individualität und persönliche Freiheit genießen zu können, dann zieht man solch ein Minihaus ganz bestimmt einer beengten Etagenwohnung vor, zumal man den Wohnraum im Sommer ins Freie verlegen kann.
Dabei ist man auch bezüglich der Energieversorgung gegenüber einem Tiny House im Vorteil: Auf dem größeren Dach ist mehr Platz für eine Photovoltaikanlage. Diese hilft nicht nur, Strom zu sparen, sondern kann im Sommer auch eine Klimaanlage betreiben, die wiederum im Winter als Heizung eingesetzt werden kann. So ist es möglich, in einem Minihaus wenn auch nicht autark so doch energieeffizienter zu wohnen als in einer Mietwohnung. Obwohl der Flächenverbrauch von großen wie kleinen Einfamilienhäusern beklagt wird, könnte dies daher trotzdem eine zukunftsträchtige Wohnform sein. KP
Dieser Beitrag ist erstmalig im Lokal-Report 01/2023 erschienen.