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Spritziges Gold aus der Mark

Mit Hingabe und Anpassungsfähigkeit beleben Vereine und Winzer den Weinbau im Land Brandenburg neu. Erfolgreich, denn die Weine sind beliebt und können sich sehen – und schmecken – lassen.

Kerstin Otto vom Verein zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel) will den Weinbau in der Region wieder bekannter machen.

Saftige, grüne Reben schwingen sich in akkuraten Reihen über die Hügel. Zwischen ihren Blättern blitzen dunkle, pralle Trauben in der frühherbstlichen Sonne. Diese klassische Weinbauidylle befindet sich aber nicht etwa an der Mosel, an der Unstrut oder in Baden, sondern fast direkt vor der Haustür. „Unser Weinberg, der Werderaner Wachtelberg, wurde erst in der späten DDR-Zeit wieder aufgerebt, also mit Weinreben neu bepflanzt“, berichtet Kerstin Otto, Vorsitzende des Vereins zur Förderung des historischen Weinbaus im Raum Werder (Havel). „Wir wollen den Weinbau in der Region wieder publik machen“, berichtet die Weinenthusiastin, während ihr perlender Federweißer seinen fruchtigen Duft verströmt.

Eine fast vergessene Tradition

Weinbau in der Mark? Was zunächst recht ungewöhnlich anmutet, hat eine jahrhundertealte Geschichte: „Am Weinberg“, „Weinbergsweg“, „Weinbergstraße“: Viele Straßennamen künden noch heute von einer Tradition, die hierzulande bereits im 13. Jahrhundert von den Mönchen des Zisterzienserordens begründet wurde. Schon ein Jahrhundert zuvor ist der Anbau von Weinreben in Brandenburg nachgewiesen, doch unter dem aufstrebenden Orden erlebte er seine große Blüte: Messen mit Abendmahl sorgten für ständigen Bedarf, und auf den mittelalterlichen Wegen war der Transport des edlen Tropfens schwierig. Die Produktion direkt vor der Haus- oder Klostertür lag also nahe. Ein anderes Problem war die Haltbarkeit: Die Verwendung von Sulfiten war erst ab dem 16. Jahrhundert üblich.

Im Vergleich zu anderen deutschen Weinregionen blieben die Brandenburger Anbaugebiete jedoch eine Nische. Bessere Verkehrswege ermöglichten ab der Neuzeit einen schnelleren Transport, die klimatischen Verhältnisse änderten sich, und die Reblaus gab vielen Rebstöcken den Rest. Gleichzeitig festigte der Obst- und Gemüseanbau seine Position, um aufstrebende Städte wie Potsdam und Berlin zu versorgen. Im Raum Werder hielt sich die Produktion von Obstweinen, da nicht verkauftes Obst zu Wein weiterverarbeitet wurde.

Der Werderaner Wachtelberg.

Wichtige Anpassungsfähigkeiten

Klassische Rebsorten haben im kühleren Klima Brandenburgs unterdessen einen schwereren Stand als an warmen, sonnigen Hängen im Südwesten und Süden Deutschlands, denn sie stecken Schädlings- und Pilzbefall weitaus schwieriger weg. „Anfangs wurde hier auf Rebsorten wie Müller-Thurgau und später Regent gesetzt, doch seit den 2000-er Jahren werden meist pilzwiderstandsfähige Sorten genutzt, sogenannte Piwis“, erklärt Otto.

Gibt es auf dem Wachtelberg und auf anderen Anbauflächen eigentlich Probleme mit „privaten Weinlesen“, also mit Diebstahl? „Natürlich gibt es Traubendiebstahl, und es ist schon doof, wenn man Leute dabei erwischt, wie sie mit einem Obstkorb durch die Anlagen spazieren“, bedauert Kerstin Otto. „Aber eine komplette Umzäunung ist nicht machbar, da öffentliche Wege über das Gelände führen.“

Das Werderaner Weinbaugebiet zählt zum „Qualitätsweinbaugebiet Saale-Unstrut“.

Saale-Unstrut-Wein vor den Toren Potsdams?

Der Blick auf das Etikett sorgt indessen für etwas Verwunderung: „Qualitätsweinbaugebiet Saale-Unstrut“. Wie kann das sein? „Nun, das liegt am Brandenburger Weinrecht“, erklärt Otto, die dem Förderverein mit seinen mittlerweile 100 Mitgliedern aus der ganzen Region vorsteht. „Werden Qualitätsweine produziert, dann müssen sie einem Qualitätsweinbaugebiet mit geographischer Herkunft zugeordnet werden, und so eines gibt es im Land Brandenburg nicht. Saale-Unstrut war von der Entfernung zu unserer Region somit die erste Wahl.“ Für Landweine trifft diese Verpflichtung übrigens nicht zu – und so nennt auch das Brandenburger Landwirtschaftministerium ein „Landweingebiet Brandenburg“ mit seinen über das ganze Land verteilten, jedoch sehr kleinen Anbauflächen. In der Mark wird auf insgesamt 30 Hektar kommerziell Wein produziert. Dagegen erstrecken sich die Reben in Rheinland-Pfalz, das über 65 Prozent der deutschen Weine produziert, auf insgesamt 64.461 Hektar.

Reben und Auszeichnung  statt Sand und Kohlenstaub

Im Süden Brandenburgs wanderte der Blick auf der Landkarte nicht an Saale und Unstrut, sondern an die Elbe. „Die ersten Weine, die nach der politischen Wende auf den Markt kamen, wurden dem Qualitätsweingebiet zugeordnet, in dem der Weinkeller lag“, berichtet Cornelia Wobar, Winzerin aus Großräschen in der Lausitz. Folgerichtig produzieren Weinbauvereine aus dem Süden Brandenburgs Qualitätswein aus dem „Qualitätsweingebiet Sachsen“, obwohl die Reben frühere Tagebaue in der Mark begrünen.

Beim Landwein stellt sich dieses Problem dagegen nicht: „In den späten 90er-Jahren wurde eine Brandenburger Weinverordnung erlassen, und in dieser gab es dann per Gesetz keinen Qualitätswein, egal wie gut der Wein in der Flasche ist. So haben wir, wie auch andere Brandenburger Winzer wie z. B.  in Bestensee, Baruth, bei Welzow, Jerischke oder Klein Oßnig das Rebrecht für sogenannten ,Brandenburger Landwein´ per Bescheid bekommen“, klärt Wobar weiter auf.

Und kann der Weinbau in einem ehemaligen Tagebau überhaupt funktionieren? Schließlich haben  Schaufelradbagger und Förderbrücken eine ganz besondere Landschaft hinterlassen. „Die Steillage mit 30 – 33 Prozent Hangneigung war Nachteil und Vorteil zugleich: extreme Arbeitserschwernis für die Weinbergarbeit bei gleichzeitiger Lagegunst für eine intensive Sonneneinstrahlung und Aromeneinlagerung bei den Trauben“, blickt die Winzerin aus der Lausitz zurück auf die Anfänge 2012. Doch der Durchhaltewille hat sich gelohnt: „Der Pinotin 2018 im Barrique gereift wurde 2021 Deutschlandsieger bei der Falstaff-PIWI-Wein-Trophy, der Cabernet blanc ist der Tipp im aktuellen Falstaff-Weinguide 2022“, erzählt Cornelia Wobar stolz.

Folgen von Krise und Dürre

Unterdessen gehen der Klimawandel und die Wirtschaftskrise durch den Krieg in der Ukraine nicht spurlos an den märkischen Reben vorüber. „Ein Anbau ohne Bewässerung ist beinahe unmöglich“, berichtet Kerstin Otto und zeigt auf die sattgrünen Weinblätter. Die Kosten für das nötige Wasser seien zuletzt stark gestiegen, ebenso die Energiekosten für Kühlung und Weinpressen. Der einzige Ausweg: „Die Winzer müssen ihre Preise erhöhen, doch der Absatz bei Kaufland und Rewe hier in der Region läuft  weiterhin gut. Auch unsere Tiene, eine Straußwirtschaft, wird weiterhin sehr gut besucht.“

Und auch in der Lausitz blickt man nicht sorgenfrei auf die kommende Zeit. „Natürlich treffen uns die Erhöhungen von Energie- und Materialkosten“, berichtet Winzerin Wobar aus Großräschen. „Vorteile bringen in jedem Fall Piwi-Reben im Weinbau, sie brauchen weniger Traktorüberfahrten – führen also nicht nur zu weniger Bodenverdichtung und mehr Biodiversität, sondern helfen auch Betriebsmittelkosten zu sparen.“ Doch die steigenden Materialkosten zwingen zum Handeln. So seien für die Herstellung einer Weinflasche Temperaturen von 1.600 Grad nötig, und das geht nur mit Gas. „Die ganze Branche steht vor einem Umdenken.“ Andreas Gröschl

Bilder: Uwe Venter