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Gedenken an zwei Wissenschaftler aus Kleinmachnow

Anfang der 50er Jahre wurde in Kleinmachnow die Biologische Zentralanstalt eingerichtet, um einen geordneten Pflanzenschutz in der Sowjetischen Besatzungszone bzw. der DDR zu organisieren. Die folgenden Zeilen sind Prof. Dr. Ulrich Burth und Prof. Horst Lyr gewidmet, zwei Wissenschaftlern, die seit 1967 bzw. 1970 dabei waren und kürzlich verstorben sind. Ihr Wirken hat in Kleinmachnow Spuren hinterlassen, die heute in der Existenz des Julius Kühn-Instituts für Kulturpflanzen fortbestehen.

Prof. Dr. Ulrich Burth (11.8.1939 – 13.2.2025)

Der langjährige Außenstellenleiter der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft Kleinmachnow und vormalige Direktor des Institutes für Pflanzenschutzforschung der DDR und der Biologischen Zentralanstalt, Prof Ulrich Burth, ist mit 85 Jahren in Kleinmachnow verstorben. Seine Karriere ist mit einigen Besonderheiten zum Ende der DDR und der gesamtdeutschen Pflanzenschutz-Politik und einigen Besonderheiten der Pflanzenschutzgeschichte verbunden. Mit dem Fall der Mauer verfiel das in der DDR entwickelte Rechtssystem über die Zulassung und Kontrolle von chemischen Pflanzenschutzmitteln und musste neu justiert werden. Denn es war und ist eine staatliche Aufgabe darüber zu entscheiden, welche Stoffe vom Menschen aktiv in die Umwelt abgegeben werden. Während bei Abfällen aus der Industrie die Entstehungsprozesse bekannt und kontrollierbar erscheinen, werden in der Land- und Forstwirtschaft hochwirksame Stoffe, d.h. Gifte, zugeschnitten auf bestimmte Organismen (Pilze, Milben, Insekten) kontrolliert in die Umwelt ausgebracht.

Mit dem Verschwinden der DDR entstand ein rechtsfreier Raum, in dem sowohl der Anbau geschützter Sorten als auch die Ausbringung von Wirkstoffen in die Landschaft einer Neuregelung bedurften.

Prof. Dr. Ulrich Burth (11.8.1939 – 13.2.2025) Foto: Axel C.W. Mueller

Es gab in der DDR auch einen frei von den Angestellten der wissenschaftlichen Einrichtung gewählten Instituts-Direktor. Dieses seltene Privileg gelang Ulrich Burth auf einer Belegschaftsversammlung am 15.11.1989 in Kleinmachnow. Wenige Tage nach dem Mauerfall waren die Besuche und Ausflüge nach Westberlin keine Sensation mehr, die Gesellschaft spürte, dass es im alten Trott nicht mehr weitergehen würde und dass nicht nur auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Forschung Veränderungen ins Haus stünden. Die Grundlagenforschung des Bereiches von Prof. Horst Lyr war nach westlicher Lesart allein Aufgabe der Industrie. Die praktischen Fragen einer angewandten Forschung, wie dies die Biologische Zentralanstalt thematisiert hatte, war in den Vordergrund zu richten und man erinnerte sich, dass Anfang der 1950er Jahre die Leitung der Berliner Biologischen Reichsanstalt aus der Königin-Luise-Straße von Berlin-West mit fünf Wissenschaftlern nach Kleinmachnow gezogen war, um in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ), der künftigen DDR, die praktischen Fragen des Pflanzenschutzes zu organisieren.

Auf dieser denkwürdigen Belegschaftsversammlung wurde der damalige von der Akademie eingesetzte Direktor Dr. Hans-Joachim Müller zum Rücktritt aufgefordert und Dr. Ulrich Burth per Akklamation zum neuen Leiter gewählt. Mit dieser Personalentscheidung, die zum 1.1.1990 arbeitsrechtlich umgesetzt wurde, hatte die Belegschaft einen wichtigen, einen nachhaltigen Schritt erreicht, der nicht nur zum Austritt aus der Akademie der landwirtschaftlichen Wissenschaften der DDR führte, sondern auch das alte Rechtsverhältnis der Biologischen Zentralanstalt begründete, das in den 1970er Jahren aufgegeben worden war.

Ulrich Burth erhielt das Mandat und den Auftrag seitens der Belegschaft, mit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft mit Sitz in Braunschweig Kontakt aufzunehmen, um die Pflanzenschutzforschung gesamtdeutsch zu organisieren. Auf der fachlichen Ebene hatte es trotz Mauer und ideologischer Abgrenzung immer noch spärliche Kontakte in den Westen gegeben, die in den späten 1980er Jahren aber auf eine Kooperation mit der Bayer AG, Schering und die BASF ausgerichtet war. Kontakte zu westdeutschen Behörden waren untersagt. Aber nun nach dem Mauerfall ging es um praktische Fragen des angewandten Pflanzenschutzes. Und da war der 50jährige Ulrich Burth als Abteilungsleiter einer Abteilung für angewandte Pflanzenschutzmittel-Forschung der richtige Mann am richtigen Ort, der mit moralischer Unterstützung der Belegschaft Gespräche führen konnte. Im Ergebnis dieses Prozesses wurden in Kleinmachnow  das Institut für Pflanzenschutzforschung wissenschaftlich evaluiert und drei neue Struktureinheiten gegründet, in denen knapp die Hälfte der ehemaligen Kollegen neue Arbeitsverträge und damit auch neue Forschungsaufgaben erhielten. Prof. Dr. Ulrich Burth wurde als Außenstellenleiter und Leiter des Instituts für integrierten Pflanzenschutz berufen und Prof. Horst Beitz übernahm die Leitung des Instituts für Ökotoxikologie im Pflanzenschutz, Prof. Volker Gutsche aus Eberswalde übernahm die Leitung des Institutes für Folgenabschätzung im Pflanzenschutz. So war die Leitung durch erfahrene ostdeutsche Wissenschaftler erst einmal gelungen, deren Bestreben ja auch darin bestand, mit einem Minimum an Ressourcen einen optimalen Effekt zu erzeugen.      

Mit der Bestattung von Ulrich Burth in der alten Heimat auf dem Alten Friedhof in Schwerin hat  dieses Kapitel deutsch-deutscher Pflanzenschutz-Geschichte einen würdigen Abschluss gefunden.  

Ulrich Burth war auch für die Entwicklung der Gemeinde Kleinmachnow in einer anderen Schlüsselposition wirksam. Das Gelände links und rechts der Förster-Funke-Allee gehörte vor dem 2. Weltkrieg zur Firma Bosch, die mit allem Grundbesitz in der SBZ enteignet worden war. Diesen Flächen zwischen Lange Reihe und Hochwald diente zu DDR-Zeiten der Biologischen Zentralanstalt als Versuchsfeld, wo Feldkulturen und Obstbäume gezüchtet wurden. Die Kirschbäume neben dem Rathausmarkt sind da zur Erinnerung daran. Aber der Verdienst von U. Burth bestand darin, dass diese Flächen des Bundes in das Eigentum der Gemeinde übergeben wurden, zumal die Biologische Zentralanstalt dank des frisch eingeweihten Versuchsfeldes in Güterfelde diese Fläche nicht mehr benötigte. So half Prof. Ulrich Burth, dass durch die Gemeinde die Flächen für Rathausmarkt und das flämische Viertel entwickelt werden konnten.

Prof. Horst Lyr ( 24.10.1926 – 25.2.2025)

Unsere Generation im Osten Deutschlands pflegt Erinnerungen nur schwer, wenn sie weit ins vergangene Jahrhundert reichen, da nach der Weimarer Republik, Nationalsozialismus und 40 Jahren DDR bis zur Wiedervereinigung in der Bundesrepublik vergingen, also drei Staatsformen, deren Erben die Erinnerung an die vergangene jeweils zu verdrängen suchten. Das Schicksal und die Leistungen von Horst Lyr spielten für Kleinmachnow eine besondere Rolle, die nirgendwo so recht gewürdigt wurden, da besagter Wissenschaftler sich nie hat mit Kleinmachnow identifizieren lassen, da er sein Leben lang seinen Hauptwohnsitz in Eberswalde hatte. Aber der in Breslau geborene und mit Wehrmacht und sowjetischer Kriegsgefangenschaft vertraute, hat sich überall durchgebissen und war wohl auch niemals so richtig heimatverbunden, da er ein Wissenschaftler durch und durch war, der sich nicht um Gefühle, um Familie, um Befindlichkeiten kümmerte, der immer nach Entscheidung und Ergebnis strebte und so nach Studium an der Uni Halle 1953 nach Eberswalde ging, wo er an der Forstwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität arbeitete und lange Jahre den Forstbotanischen Garten leitete, bevor er 1970 in Kleinmachnow den Auftrag erhielt, einen Bereich der Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Pflanzenschutzforschung aufzubauen. Bei dieser erfolgreichen 20jährigen Forschungstätigkeit gelang es, neue Pflanzenschutzmittel als Halmstabilisatoren im Getreideanbau, als Fungizid-Präparate zur Bekämpfung von Pilzerkrankungen in der Landwirtschaft zu entwickeln.

Horst Lyr am 24.10.2016 zu seinem 90. Geburtstag (Foto Axel C. W. Mueller)

Er organisierte noch zu DDR-Zeiten die Zusammenarbeit mit großen Pflanzenschutzmittelkonzernen wie BASF, Hoechst AG und Bayer AG im Westen. Unter seiner Leitung bildete sich ein kreatives Team junger Wissenschaftler in Kleinmachnow, das versuchte ohne ideologische Einschränkungen wissenschaftlich voranzukommen und Leistungen zu erbringen. Dabei waren überall Hürden aufgebaut, die es galt zu überwinden. Ihm gelang es noch zu DDR-Zeiten in Schloss Reinhardsbrunn ein internationales Symposium zu organisieren und den fachlichen Gedankenaustausch mit Wissenschaftlern der ganzen Welt zu führen. Dabei war er weitsichtig genug, um dies an die Fragen der Welternährung zu knüpfen, was bis heute von wachsender Aktualität ist. Im chemischen Pflanzenschutz, der in der DDR stark von westlichen Importen abhing, spielte die Frage der Prognose von Pflanzenschäden bzw. Ertragsminderung durch pilzliche und tierische Schaderreger eine dominante Rolle, die dank guter Computertechnik gelöst und verfeinert werden konnte. All diese Fragen bewegen Wissenschaft und Praxis bis heute und werden häufig durch Klientelpolitik behindert.  Ehemalige Kollegen denken in Dankbarkeit an einen weltoffenen und streitbaren wissenschaftlichen Leiter zurück. Er möge den Kleinmachnowern in guter Erinnerung bleiben.

Text und Fotos: Dr. rer. nat. Axel C. W. Mueller