Kleinmachnower Felix Krüsemann läuft bei WM in Dubai
Felix Krüsemann ist ein leiser junger Mensch, der ruhig spricht und ein bisschen in sich gekehrt wirkt. Doch je länger er über die Leichtathletik redet, desto deutlicher wird, dass er für diesen Sport brennt. Eine Leidenschaft, die ihm ganz offensichtlich in die Wiege gelegt worden ist: Der Vater ist Fußballtrainer, die Mutter Skilehrerin und auch sein großer Bruder Luca sportlich aktiv.
Seit seiner Geburt hat der Kleinmachnower Sportler eine Spastik des Bewegungsapparates, welche sich vor allem durch ein leichtes Zittern der Arme und Beine bemerkbar macht. Im Alltag behindere ihn dies jedoch nicht und auch im Sport habe es bisher kaum eine Rolle gespielt. „Vor allem das gezielte Koordinationstraining hilft mir, die Muskeln zu stabilisieren“, erzählt Felix.
Für seinen Trainer Martin Conrad ist Felix ein gleichgestelltes Mitglied der Trainingsgruppe. „Bei uns soll sich jeder Athlet individuell entwickeln, auf das Handicap muss ich daher gar keine besondere Rücksicht nehmen.“ Er versuche, für Felix in den verschiedenen Trainingsbereichen die passende Unterstützung zu finden, und beschreibt ihn als ambitionierten Sportler, der sehr fokussiert ist und vor allem sich selbst in die Verantwortung nimmt, um sportliche Ziele zu erreichen.
So ließen die Erfolge auch nicht lange auf sich warten: Bei den Junioren-Weltmeisterschaften vor zwei Jahren holte Felix die Bronzemedaille über 800 Meter. Die Zeitnorm, um sich für die Teilnahme an der Para-WM der Männer in London zu qualifizieren, verpasste er dabei jedoch um ein Hundertstel. „Sehr, sehr ärgerlich“, erinnert sich Felix und knirscht für einen kurzen Moment mit den Zähnen, „aber es hat mich enorm motiviert.“
Im November des vergangenen Jahres bestritt er dann schließlich bei den Para-Europameisterschaften seinen ersten internationalen Wettkampf in der Erwachsenenklasse. „Achtzig RSV-Athleten haben richtig Stimmung gemacht und mich angefeuert!“, sagt Felix und seine Augen leuchten wieder. In Berlin nahm er die Strecke über 1500 Meter in Angriff, holte erneut Bronze und lief endlich die ersehnte Norm für die Para-WM im November.
Felix‘ Ziel für Dubai ist das Erreichen des Endlaufs, denn immerhin ist es seine erste Teilnahme an einer Weltmeisterschaft der Männer. Auch Trainer Conrad hält eine TOP-8-Platzierung für realistisch. In Dubai möchte Felix aber vor allem die Zeitnorm für die Paralympics 2020 knacken, die letzte Chance, sich zu qualifizieren. Seine persönliche Bestzeit von 4:16,12 Minuten müsste er dafür um vier Sekunden toppen. Doch Felix ist zuversichtlich, dass er das schafft: „Ich möchte unbedingt nach Tokio!“
Diesem Ziel ordnet der 18-Jährige sehr viel unter, für Freunde oder Freizeit, in der er gern Basketball spielt oder auch mal an der Playstation zockt, bleibt momentan keine Zeit. Ein Opfer, dass Felix zu bringen bereit ist, denn die Trainingssaison sei für ihn bisher gut gelaufen. Nach einem Kapselriss im linken Zeh stehe er seit einem Vierteljahr wieder optimal im Training.
Neben dem Training absolviert Felix, der im Mai Abitur gemacht hat, einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) beim RSV Eintracht 1949. Dort hat er die Leitung einer Trainingsgruppe der Kinder-Leichtathletik übernommen sowie die sportliche Betreuung der Leichtathletik-AGs dreier Grundschulen der Region. „Darin liegt seine Stärke“, sagt Trainer Conrad über den Athleten, „er lebt die Leichtathletik und gibt das gern an die Jüngeren weiter.“
Für Felix ist der BFD auch eine gute Gelegenheit, sich vorzubereiten. „Wenn ich meine sportlichen Ziele in Tokio erreicht habe, möchte ich Sport und Geographie auf Lehramt studieren“, erzählt er, „und reisen“. Dabei zieht es ihn in die Vereinigten Staaten. Denn in den USA habe der Profisport einen viel höheren, gesellschaftlichen Stellenwert als bei uns und könne dort auf einem höheren Niveau betrieben werden. So ist denn auch der NBA-Spieler Russel Westbrook sein sportliches Vorbild.
Einen griffigen Spitznamen, wie in der amerikanischen Profiliga durchaus üblich, hat Felix Krüsemann nicht. Wohl aber ein Ritual kurz vor dem Start: Mit Kopfhörern, über die amerikanischer Hiphop oder Rap läuft, stimmt er sich mental auf den bevorstehenden Wettkampf ein.
In Dubai geht es am 14. November für Felix vor allem darum, gesund und entspannt zu bleiben. Trainer Conrad unterstützt ihn dabei aus der Ferne: „Was Felix draufhat, hat er drauf! Er ist jetzt im Männerbereich angekommen. Nun gilt es, auf dieser Ebene neue Erfahrungen zu sammeln.“
Text/ Fotos (4): Madlen Pilz