Medaillen und Bestzeiten trotz jeder Menge Vorurteile
Die Stahnsdorferin Celina Breitkreutz musste aufgrund einer Erkrankung vom Modernen Fünfkampf zum Paraschwimmen wechseln. Seit drei Jahren holt sie hier auch international Medaillen. Im Alltag kämpft die selbstbewusste Schülerin gegen Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderungen.
Wenn Celina Breitkreutz übers Schwimmen spricht, strahlt sie über das ganze Gesicht. Dann ist sie in ihrem Element. Selbst wenn sie bloß in ihrem Elternhaus auf dem Sofa sitzt und ihre Geschichte erzählt. Die ist alles andere als geradlinig. Kommt sie irgendwann an Stellen in ihrem Leben, an denen sie abbiegen und sich von manchem ihrer Träume verabschieden musste, wird ihre Stimme leiser, ihr Lächeln schmaler. Doch ihre Augen hören nicht auf zu leuchten.
„Ins kalte Wasser zu springen, tut mir gut“, sagt Celina und meint damit eigentlich die Bedeutung, die das Schwimmen für sie hat. Im Training könne sie sich so richtig auspowern, alle Gefühle, die gerade in ihr drin sind, rauslassen. Sie liebt den Sport, das hört man in jedem Wort, mit dem sie übers Schwimmen spricht. Die Entschlossenheit, mit der sie erzählt, sind für eine 18-Jährige beeindruckend. „In einem Einzelsport kannst du die Fehler nur bei dir selbst und niemand anderem suchen, wenn du Ziele nicht erreichst.“ Schon so manches Mal, räumt Celina ein, habe sie ans Aufhören gedacht. Und doch machte sie immer wieder weiter. Selbst, wenn sie die Richtung wechseln musste.
Geboren in Potsdam und aufgewachsen in Stahnsdorf wird Celina der Sport quasi in die Wiege gelegt. Ihr jüngerer Bruder ist Torwart beim RSV Eintracht, auch ihr Vater spielt Fußball, und ihre Mutter, bei der sie lebt, hat früher erfolgreich Tennis gespielt. Schon früh interessiert sich Celina fürs Schwimmen, trainiert während ihrer Grundschulzeit beim OSC Potsdam. Doch beim Übergang an die weiterführende „Friedrich Ludwig Jahn“-Sportschule in Potsdam scheitert sie am Aufnahmeverfahren für die Sportart Schwimmen. Allerdings wurden Trainer des Modernen Fünfkampfs (Pistolenschießen, Degenfechten, Schwimmen, Springreiten und Querfeldeinlauf) auf die talentierte Schülerin aufmerksam und so durfte sie ab der siebten Klasse doch auf die Sportschule wechseln.
Kämpferin trotz Krankheit
Kaum zwei Jahre später folgt der Schicksalsschlag: Die Ärzte diagnostizieren bei der Sportlerin Lupus, eine rheumatische Autoimmunerkrankung, die schubweise auftritt. An schlechten Tagen tun Celina alle Körperteile weh, an guten Tagen hat sie gar keine Einschränkungen. Solche Tage sind mittlerweile eher die Regel, da Celina mit Medikamenten gut auf die Krankheit eingestellt ist. Doch der Weg hierhin ist durch anfängliche Fehldiagnosen sehr langwierig. In der Zeit im Krankenhaus nimmt Celina stark ab. Sie hadert mit der Krankheit. Durch die hohe Anfangsdosis der Medikamente verändert sich ihr Aussehen. „Ich habe mich komplett entstellt gefühlt“, erzählt sie. Warum ich, fragt sie sich. Familie und Freunde geben ihr in dieser schweren Zeit Halt. Doch zu einigen Freunden verliert sich der Kontakt. Auch auf der Sportschule darf sie nicht bleiben. An dieser Stelle pausiert Celina für einen Moment. Die Erinnerung an die damalige Situation ist noch immer nicht ganz schmerzfrei. Eigentlich möchte sie gern auf der Sportschule bleiben, auch die Ärzte geben schließlich grünes Licht. Doch einer ihrer Trainer, den sie ins Vertrauen zieht, lässt ihren Traum zerplatzen. „Das Risiko durch meine Krankheit sei zu groß, das weitere Training ‚lebensgefährlich‘ sagte er zu den anderen Trainern und zog die damit auf seine Seite“, ärgert sich die Sportlerin. Sie verlässt die Potsdamer Sportschule und wechselt in der neunten Klasse ans Kleinmachnower Weinberggymnasium. Eine Schwimmtrainerin des SC Potsdam gibt ihr den Tipp, es beim Paraschwimmen zu versuchen. Celina geht zum Probetraining – und bleibt dabei.
Internationale Erfolge im Para-Schwimmen
Seit 2019 startet die Stahnsdorferin, die in diesem Jahr ihr Abitur in den Fächern Biologie, Deutsch und Mathe schreibt, in der nationalen Startklasse „AB“ für Sportler, die nach den Regeln des Deutschen Behindertensportverbandes „keine klassifizierbare Behinderung und/oder ausschließlich eine für das Schwimmen unwesentliche Behinderung haben“. Da Celinas Beeinträchtigung durch die Krankheit auch nicht unter die vom Internationalen Paralympischen Komitee gelisteten fällt, darf sie im Rahmen des Para-Sports nur an nationalen, nicht jedoch internationalen Sportwettkämpfen teilnehmen. Oder anders gesagt: „Ich bin nicht Para genug für die Paralympics“, sagt Celina. Die Regularien empfindet sie als zu starr. „Für alle, die es auch betrifft, würde ich mir wünschen, das die geändert würden.“ Ihr Traum sei die Teilnahme an den Paralympischen Spielen, doch durch die Klassifizierung bliebe ihr diese verwehrt. Obwohl „die Startklasse AB auch zum Para-Schwimmen gehört“, erzählt Celina, „werden wir nicht so gefördert wie die Startklassen, die auch für internationale Wettkämpfe zugelassen sind“. Celinas Trainerin unterscheide da zum Glück nicht, deshalb trainiere sie so gern bei ihr.
Celinas Erfolge können sich sehen lassen: 2022 wird sie wiederholt bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften (IDM) im Para-Schwimmen in ihrer Startklasse internationale Jugendmeisterin, schwimmt die 50 Meter Rücken in 33,61 Sekunden. Bei den deutschen Kurzbahnmeisterschaften schwimmt sie mit 32,65 Sekunden sogar deutschen Rekord. Die erschwommenen Medaillen haben hohen Wert für die Stahnsdorferin, weil da ihre Zeiten „drinstecken“.
In diesem Jahr will Celina erneut bei den IDM antreten. Vielleicht den deutschen Rekord noch einmal brechen oder eine neue persönliche Bestzeit schwimmen. Reizen würde sie auch die Strecke über 50-Meter Schmetterling. Seit diesem Jahr startet Celina nicht mehr in der Jugendklasse, sondern tritt in offener Wertung an. „Hier schwimme ich gegen Verena Schott, die schon bei den Paralympics war“, sagt sie, „aber vielleicht schaffe ich es ja trotzdem aufs Treppchen“. Das Wichtigste am Wettkampf ist die „persönliche Optimierung, ich will meine Zeiten knacken und sehen, was da noch geht bei mir“.
Nach dem Abi möchte Celina am liebsten zur Kriminalpolizei. „Dort hat man mir gesagt, dass ich die Einstufung wohl aus gesundheitlichen Gründen nicht schaffen werde.“ Abgestempelt fühlt sie sich durch solche Aussagen. „Solche Vorurteile sind einfach unfair!“ Durch ihre Erfahrung beim modernen Fünfkampf könne sie gut schießen, sie sei ausdauernd und wisse genau, worauf sie sich einließe. „Aber wenn man von vornherein nicht einmal eine Chance bekommt, dann tut das schon weh.“ Trotzdem wird sie eine Bewerbung einschicken. „Ich traue mir einen Job bei der Kripo absolut zu“, sagte Celina. Alternativ käme auch duales Studium im Bereich Sport infrage. Sie lächelt selbstbewusst: „Ich habe halt immer einen Plan B.“ Madlen Pilz
Titelbild: privat