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Beschaulich und immer noch ein bisschen ländlich – Die Kirchengemeinde in Ruhlsdorf

Die Kirchengemeinden in Teltow bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten. Von ­­Gottesdiensten über Kirchenmusik bis hin zu Mitmachprojekten für ­Jugendliche und ­Erwachsene. Dabei wird das Miteinander immer ­großgeschrieben. Die kleinste ­Glaubensgemeinschaft ist die Evangelische ­Kirchengemeinde in Ruhlsdorf.

Anheimelnd warm ist es, wenn die Besucher die kleine Feldsteinkirche zum Gottesdienst betreten, und das, obwohl diese schon mindestens 725 Jahre alt ist. Ist es oft in den Dorfkirchen Brandenburgs gerade im Winter kalt und klamm, hat man hier in die Rückenlehnen der Kirchbänke Heizkörper verbaut, die für angenehme Wärme sorgen. Das trägt mit zur familiären Atmosphäre bei, die so eine kleine Gemeinde mit gerade einmal 300 Mitgliedern mit sich bringt.

Kirche mit Patina

Ruhlsdorf wurde 1993 in die Stadt Teltow eingemeindet und hat trotzdem seinen eigenen dörflichen Charakter bewahrt. Die Kirche ist das älteste Gebäude im Dorf. Malerisch in einem idyllischen Kirchgarten mit alten Bäumen gelegen hat sie den Dreißigjährigen Krieg und zwei Weltkriege überlebt. Sie besteht aus zwei Bauteilen, einem rechteckigen Kirchenschiff und einem eingezogenen rechteckigen Chor. Zuerst wurde wahrscheinlich der Chor errichtet und dann das Kirchenschiff. Das älteste Inventar im Innenraum ist die hölzerne Kanzel. Sie wurde 1594 von ­Sebastian Müller, damals Grundherr und Patron der Kirche, in Auftrag gegeben und ist reich bemalt. Man sieht die Evangelisten, in deren Mitte Jesus. Später kamen noch Engelsköpfe hinzu. Die neun Bildtafeln an der Südwand sind erst vor zehn Jahren wieder aus dem Dachboden hervorgeholt worden und zeigen nach gründlicher Restaurierung das Leben Jesus als Bildergeschichte.

Eine tragende Säule im Leben der Gemeinde – der Kirchenchor Foto: Kirchengemeinde Ruhlsdorf

Wer die Gelegenheit hat, einmal den Kirchturm zu erklimmen, sollte dies unbedingt tun. Allerdings ist das nichts für Menschen mit Höhenangst, denn die Stiegen und Leitern verengen sich von Mal zu Mal und werden immer steiler. Dafür entschädigt dort oben ein sensationeller Blick über Wiesen und Felder. Wie jedes historische Gebäude, so bewahrt auch die Ruhlsdorfer Kirche ein Geheimnis: Im Chorraum finden sich in dem Lehmboden Tierfußabdrücke. Ein alter Aberglaube besagt, dass es sich um einen Abwehrzauber gegen böse Geister handle. Eine ältere Dame hatte eine profanere Deutung: Da sei einfach ein Tier „drüber gelatscht“, als der Lehm noch nicht trocken war.

Ursprünglich gab es um die Kirche herum einen Friedhof. Der musste aber 1909 geschlossen werden, da er sich wegen des hohen Grundwassers als ungeeignet für Beerdigungen erwies. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass die erste Leiche auf dem neuen Friedhof auf dem alten Mühlenberg der bisherige Totengräber Wehlert war.

Lebendige Gemeindearbeit und Zusammenhalt

Auch wenn der Tod zum Leben dazu gehört, so geht es in der Gemeindearbeit zunächst einmal um die Lebenden. Seit 2017 ist Sabine Beuter Pfarrerin in Ruhlsdorf. Diese schöne kleine Kirche und das familiäre Gemeindeleben haben sie gereizt, sagt sie. Das ermögliche auch eine persönliche Beziehung zu den Menschen. Deshalb hat sie es sich auch zur Gewohnheit gemacht, bei jedem Gemeindemitglied an seinem runden Geburtstag vorbeizuschauen. „Manche sind natürlich nicht zu Hause, und manche bekommen auch einen Schreck, aber die meisten freuen sich“, sagt sie lachend. Eine weitere schöne Tradition hat sich in ­Ruhlsdorf ­etabliert: Der lebendige ­Adventskalender. Dazu schmücken 24 Anwohner ihre Fenster und Türen, von denen an jedem Dezembertag eines erleuchtet wird; welches wann und wo, wird vorher im Gemeindeblatt veröffentlicht. Nachbarn und Vorbeikommende können dann das Fenster bestaunen und vielleicht auf einen Plausch vorbeikommen. Manchmal stellt der „Gastgeber“ auch eine Feuerschale auf und schenkt Glühwein aus.

Erstmalig letztes Jahr begann auf Initiative von Sabine Beuter und des Gemeindekirchenrates das Fest zum 725-jährigen Dorfjubiläum mit einem Freiluftgottesdienst auf der Festwiese am Röthepfuhl, was die zahlreichen Besucher mit Begeisterung aufnahmen. Eine Orgel gab es auf der Bühne natürlich nicht, aber das war auch nicht nötig, denn der ­Ruhlsdorfer Kirchenchor und der Posaunenchor ­Teltow-Stahnsdorf sorgten hervorragend für die musikalische Begleitung.

Die Kirche entstand Ende des 13. Jahrhunderts am östlichen Ende des Dorfangers.

Singen aus Leidenschaft

Zu den tragenden Säulen des Gemeindelebens gehört auch heute noch der Kirchenchor. Er wurde 1945 gegründet und startete zunächst mit vier Sängerinnen und Sängern, heute sind es um die zwanzig. Einmal pro Woche kommen die Mitglieder zur Probe zusammen. Traditionell gestalten sie vor allem die Gottesdienste an den hohen Feiertagen und an den Adventssonntagen. Zum Repertoire gehören nicht nur bekannte Kirchenlieder, sondern auch weniger bekannte Choräle, die die Chorleiterin Lenka Fehl-Gajdosova mit großem Engagement mit ihnen einstudiert.

Höhen und Tiefen aus der Dorfchronik

Gegründet im Jahr 1299 als Ruvelstorp erhielt der Ort 1718 seinen heutigen Namen Ruhlsdorf. Das Land wurde damals vom Markgrafen Herrmann dem Bischof von Brandenburg überlassen, da dieser die Schulden des Markgrafen beglichen hatte und dafür von ihm mehrere Dörfer bekam, unter anderem Ruhlsdorf. Mehrfach wechselte das Land in den folgenden Jahrhunderten den Besitzer, bis es Anfang des 17. Jahrhunderts Henning von Rathenow erwarb. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) wurden alle neun Bauernhöfe zerstört. Erst langsam schritt eine Neubesiedlung wieder voran: 1711 gab es wieder einen Rittersitz, eine Schäferei, eine Windmühle, einen Weinberg und natürlich einige Bauern. 1852 gab es 32 Wohnhäuser in ­Ruhlsdorf, 1900 waren es schon 56. Im Jahre 1903 bekam Ruhlsdorf erstmalig eine Straßenbeleuchtung mit Gaslaternen, 1906 wurde die Gemeinde an das ­Charlottenburger Wasserwerk angeschlossen. Alle vorhandenen Grundstücke hatten jetzt „Wasser aus dem Hahn“. Ab 1906 siedelte sich sogar ein Frisör in der Dorfstraße 15 an. Anfang des Jahres 1907 wurde eine eingleisige Bahn vom Bahnhof Teltow bis nach Stahnsdorf gebaut. 1912 schloss sich Ruhlsdorf an das Elektrizitätsnetzwerk Schönow an. Am 15. April 1913 gab es die erste öffentliche Telefonzelle in Ruhlsdorf.

Letzte Besitzerin des Gutes Ruhlsdorf war die Familie Bouvier. Nachdem der Sohn Louis Bouvier im November 1890 verstorben war, verkaufte seine Witwe das Gut an die Stadtgemeinde Berlin. Auf dem alten Friedhof neben der Feldsteinkirche erinnern noch drei Holzkreuze an die Familie.

Fotos: Kirchengemeinde Ruhlsdorf/Elisabeth Kaufmann