Moore – „Zurück zur Natur“ oder „vom Regen in die Traufe“?
Natürliche Moore sind wichtige Wasser- und Kohlendioxidspeicher. In den vergangenen Jahrhunderten wurden jedoch viele Moore trockengelegt, um landwirtschaftliche Anbau- oder Siedlungsflächen zu gewinnen, wobei besonders in der DDR-Zeit umweltzerstörerische Flurbereinigungsmaßnahmen und Überdüngung zu schädlicher Bodenerosion führten. Jetzt sollen große Flächen wiedervernässt werden – ein nicht unproblematisches Vorhaben, bei dem es noch viel Forschungsbedarf gibt.
Die Trockenlegung von Mooren ist keine moderne Erfindung, sondern ein seit Jahrhunderten praktiziertes Verfahren. Durch den Bau von Entwässerungsgräben wurde nicht nur neues Acker- und Weideland gewonnen, sondern auch die Sicherheit der Verkehrswege erhöht – man denke nur an die vielen im Moor versunkenen Personen und die Moorleichen, die beim Torfabbau zum Vorschein kamen. Die Torfgewinnung wiederum war in früheren Zeiten wichtig, da man Torf als Bau- und Brennstoff verwendete, und auch jetzt ist das Material immer noch ein wichtiges Produkt für die Landwirtschaft und die Gärtnerei, denn es dient der Bodenverbesserung. Wenngleich man sich bemüht, Torf zu ersetzen, ist er nach wie vor für bestimmte Anwendungen unverzichtbar. Und wenn auch durch die Trockenlegung die typische Fauna und Flora verlorenging, so hat sich dadurch die Anzahl der in Sümpfen und Feuchtgebieten brütenden Insekten abgenommen, die als potenzielle Krankheitserreger gelten. Dies ist ein Faktor, der besonders in wärmeren Gebieten, beispielsweise in Südostasien, aber auch in Südeuropa eine Rolle spielt.
In Deutschland wurden in den vergangenen Jahrhunderten mehr als 90 Prozent der Moore entwässert, wobei die DDR mit der industriell praktizierten Melioration einen unrühmlichen Rekord erzielte und besonders in Mecklenburg-Vorpommern große Gebiete denaturierte (Potsdam-Mittelmark war davon etwas weniger betroffen). Ertragssteigerung, Devisengewinn durch Getreideexporte und Neubau von Plattenbausiedlungen hatte Vorrang vor dem Naturschutz.
Moore gibt es weltweit, besonders in Nordamerika, Skandinavien, Russland, aber auch in Südamerika, Afrika und Asien. Obwohl Moore nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, binden sie ungefähr so viel Kohlenstoff wie die gesamte Vegetation der Erde enthält. Wenn aber weiterhin Moore weltweit trockengelegt werden, dann könnte es zu einer Verdreifachung der aus Mooren emittierten Menge an Treibhausgasen kommen, befürchtet man. Weltweit stammt allerdings die Hälfte der Emissionen aus Mooren in Südostasien. Dort treiben Trockenlegung, Entwaldung und häufige Brände die Emissionen nach oben. Weltweit sind NGOs und Naturschutzverbände aktiv, um dem entgegenzuwirken.
Also einfach alle trockengelegten Moore wiedervernässen? Wenn das nur so einfach wäre! In der Vergangenheit hat man manche Entwässungsgräben zugeschüttet, und tatsächlich bildeten sich wieder Feuchtgebiete mit moortypischer Vegetation. Eine andere Methode ist das Abgraben der oberen Bodenschicht, die dann rundherum als Wall dient, um den Regenwasserabfluss zu verhindern. Doch erst in den letzten Jahren stellte sich bei Untersuchungen der Universität Greifswald und der dänischen Universität Aarhus heraus, dass besonders in den ersten Jahren und Jahrzehnten der Wiedervernässung Unmengen an Methan und weiteren problematischen Stoffen austreten. Dazu Prof. Dr. Dominik Zak in einer Pressemitteilung: „Der Boden ist zusammengesackt und mineralisiert. Kommt Wasser darauf, entsteht zunächst ein Flachsee, und der im Boden gebundene Phosphor wird freigesetzt. Die Phosphor-Konzentrationen solcher überstauten Moorflächen sind dabei 100 bis 1000-mal höher als in naturnahen Mooren. Die Konzentrationen sind so hoch, weil der Torf stark zersetzt und mineralisiert ist und die Böden oft überdüngt sind, wenn sie zuvor intensiv bewirtschaftet wurden. Außerdem werden unter diesen Bedingungen große Mengen des besonders klimawirksamen Methans frei“. Eine sich über Jahrzehnte erstreckende, langsame Wiedervernässung wäre nach Ansicht der Forscher in der Hinsicht wohl günstiger, aber auch dann wäre dem Klima nicht auf die Schnelle geholfen.
Weitere Risiken: Ein Wiedervernässungsprojekt in Mecklenburg-Vorpommern führte zum Absacken eines Abschnittes der Autobahn A20, und woanders wurden Keller in der Nähe feucht. In unserer eher trockenen Region wohl eher nicht relevant, aber in Potsdam-Mittelmark gibt es ein anderes Problem: Durch die jahrhundertelange Entwässerung sind die Böden so denaturiert, dass gar kein Torf mehr vorhanden ist. Eine Renaturierung würde ewig dauern, denn pro Jahr wächst nur 1 mm Torf. Für eine Mächtigkeit von 1 Meter Torf braucht es somit 1000 Jahre, für das Klima also nur bedingt wirksam. Und das PIK Potsdam warnt: Bei klimabedingten Dürren mit sinkenden Grundwasserspiegeln könnte aus renaturierten Mooren wieder CO2 austreten.
Ein weiteres Hindernis: Landwirtschaftliche Nutzung und Wiedervernässung stehen im Widerspruch. Teils über Jahrhunderte gewachsene bäuerliche Strukturen müssten aufgegeben werden – so hat der NDR berechnet, dass allein an der schleswig-holsteinischen Westküste 900 Bauernhöfe umgesiedelt werden müssten, und ähnlich sähe es an der Donau aus. Auf neu entstandenen Moorflächen könnten höchstens Pflanzen wie Schilf und Rohrkolben wachsen (sogenannte „Paludikultur“), nicht jedoch Gras, Getreide oder andere Feldfrüchte. Ohne Gras und Futtergetreide entfiele so auch die Tierhaltung und damit die Lebensgrundlage der Bauern. Hohe Entschädigungszahlungen wären die Folge – und Paludikulturen fallen nicht unter die EU-Agrarförderung. Umweltministerin Steffi Lemke setzt daher – ebenso wie die EU in ihrem jüngsten Beschluss, der 30 Prozent Renaturierung bis 2030 vorsieht – auf Freiwilligkeit und Pilotprojekte, der NABU will eine „Klimahonorierung“ durchsetzen – Finanzierung offen.
Ein Teltower Start-Up könnte da schnellere und bessere Abhilfe schaffen. „Humify“ ist ein Projekt, das sich nichts weniger zum Ziel gesetzt hat als weltweit denaturierte Böden so zu konditionieren, dass sie nicht nur mehr Feuchtigkeit, sondern auch große Mengen CO2 binden können. Kein Geringerer als der anerkannte Top-Chemiker Prof. Dr. Dr. h.c. Markus Antonietti, der bekannte Ex-Manager und Finanzfachmann Harald Pinger und der Tech-Unternehmer Andreas Dittes haben sich für dieses Projekt zusammengetan. Mit ihrem „Superhumus“, einer Bodenschicht, die das natürliche Mikrobiom des Erdreichs aktiviert, könnte die CO2.-Speicherfähigkeit wiederhergestellt werden. Wenn man diese „in den obersten 30-40 cm des Bodens um 0,4 Prozent erhöht, könnte man die Zunahme an CO2 in der Atmosphäre stoppen“, ist auf der Website zu lesen.Dassdas kein leeres Versprechen ist und die Humusproduktion industriell skalierbar ist, will man bis Ende nächsten Jahres an Musterprojekten beweisen. Dabei hat man nicht nur durch Entwässerung denaturierte Böden im Blick, sondern auch die durch intensives Pflügen, schwere Landmaschinen oder Pestizideinsatz belasteten Flächen. Bundeskanzler Olaf Scholz, der die Firma kürzlich besuchte, war von dem Vorhaben jedenfalls schwer beeindruckt, denn „Humify“ handelt nach dem Prinzip „Je näher an der Natur, desto besser!“, so Harald Pinger. Da kann man nur hoffen, dass dieses spannende und zukunftsweisende Projekt aus der Region gelingt und sich weltweit durchsetzen kann.
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