Teltow

Neues Leben für defekte Geräte: Repair Café in Teltow

In alle seine Einzelteile zerlegt, liegt das weiß-violette ­Bügeleisen von Henriette auf dem großen Tisch, daneben Schraubenzieher, Spannungsprüfer und weitere Werkzeuge. Nun hat die Berlinerin sich davor aufgebaut und schaut das Gerät kampflustig an. „Es ist gerade mal ein Jahr alt und geht nicht mehr. Ich habe zwar schon ein neues gekauft, aber mich wurmt das einfach“, erzählt sie. „Da haben mir meine Reiterkollegen in ­Teltow den Tipp gegeben, mal hierher zu kommen. Vielleicht kann man mir helfen.“

Mit „hier“ ist das Repair Café im Emaushaus in der Ruhls­dorfer Straße 12 gemeint. Dort hat sich ein Team aus einer Teltowerin und mehreren Teltowern dem Kampf gegen die Wegwerfgesellschaft verschrieben und möchte gleichzeitig einen Ort schaffen, an dem die Menschen zusammenkommen, reden, zuhören, sich austauschen und an dem man sich gegenseitig hilft.

Im Repair Café können Leute mit ihren defekten Geräten vorbeikommen und die ehrenamtlichen Mitarbeiter Christian Seifert, Jeanette Paech, Andreas Geist und Reinhard Kugler schauen, was sie tun können – kostenlos, eine Spende für die Kaffeekasse ist aber immer willkommen. Als Elektromechaniker, Informationstechniker oder Ingenieur sind sie Experten auf dem Gebiet. Repariert wird, was die Besucher hintragen können. Hausbesuche machen die Freiwilligen jedoch nicht. Wenn für ein Gerät ein Ersatzteil nötig ist, wird es auf Kosten des Kunden bestellt oder der Besucher erhält einen Tipp, wo er es kaufen kann. Dann bringt er es zum nächsten Repair Café mit. Statt findet dieses immer am dritten Donnerstag im Monat.

Eine Idee aus Amsterdam

Die Idee für das Teltower Repair Café kam Initiator Christian beim Lesen eines Zeitungsberichts über eine solche Institution in Amsterdam. „Im Bekanntenkreis werde ich öfter um Hilfe gebeten“, erklärt er. „Als Elektromechaniker kenne ich mich ja mit technischen Geräten aus.“ Weil aber nicht jeder einen Elektroprofi zu seinen Freunden zählt, fand er das Konzept sehr sinnvoll. „Ich habe mich schlau gemacht und in Teltow rumgefragt, wo ich einen Raum finde und wer mitmachen will.“ Dabei lernte er Jeanette kennen, die auch Stadtverordnete in Teltow ist. Sie gründete sofort eine Facebook-Gruppe, um die Idee bekannt zu machen. Später stieß ­Andreas dazu. „Inzwischen sind  wir etwa fünf bis sechs Leute. Aber wir freuen uns immer über weitere Interessierte, die ihre Erfahrungen einbringen wollen“, sagt Jeanette. Einen Raum bot den Freiwilligen die christliche Lebenshilfe im Emaushaus in der Ruhlsdorfer Straße 12. „Das heißt natürlich nicht, dass man christlich sein muss“, sagt Jeanette. „Jeder kann vorbeikommen. Wir sprechen jede Generation an.“

Seit der Eröffnung vor zwei Jahren haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter schon viele elektrische Geräte, aber auch Spielsachen und Kleidungsstücke retten können. Denn neben der Reparatur elektrischer Geräte gibt es auch Nähkurse, bei denen Jacken, Hosen oder Pullis ausgebessert werden können.

Ein Herz für die Umwelt

Mit weit mehr als 50.000 Anlieferungen im letzten Jahr ist der Wertstoffhof in Teltow wahrscheinlich eine der meistbesuchten Institutionen in der Region. In den letzten 13 Jahren haben sich die Anlieferungen verfünffacht. An den Abgabetagen staut es sich vor dem Hof. Viele Kapazitäten gibt es nicht mehr. Zeit fürs Umdenken, der Meinung ist auch Andreas. Für die ehrenamtliche Arbeit im Repair Café hat der selbstständige Informationstechniker sich entschlossen, weil ihm das Tüfteln solchen Spaß macht. „Ich habe auch immer das Spielzeug meiner Tochter repariert. Es ist doch schön, wenn andere Leute sich freuen, dass ihre Geräte wieder funktionieren.“ Schließlich hätten manche Geräte für ihre Besitzer einen ideellen Wert. „Wenn man an den alten Geräten hängt oder sie nicht mehr produziert werden, lohnt es sich doch, sie nochmal anzuschauen. Außerdem geht es mir auch um die Natur. Man braucht doch nicht jedes Jahr ein neues Handy, nur weil der Telefonanbieter das will. Die Rohstoffe werden immer knapper, da sollte Nachhaltigkeit schon ein Thema sein. Es ärgert mich, dass heutzutage bewusst Bauteile produziert werden, die schnell kaputt gehen.“

Besucher soll mitmachen

„Sie leuchtet!“, ertönt es plötzlich aus der hinteren Ecke des Zimmers. Die Stahnsdorferin Martina klatscht in die Hände. Seit Jahren hat ihre alte Tischlampe nicht funktioniert. Nachdem Andreas kurz die Verbindung geprüft hat, funktioniert die Lampe plötzlich wieder. Warum genau, müssen die beiden aber noch herausfinden. Da die Lampe schon hundert Jahre alt ist, findet man wahrscheinlich keine Ersatzteile mehr, aber vielleicht gibt es ja eine ganz einfache Lösung. Das Repair Café in Teltow ist momentan noch ein Geheimtipp, denn im Gegensatz zu den vier Berliner Cafés können sich die Mitarbeiter noch viel Zeit nehmen. „Ich bin ganz froh, dass ich hier so schnell einen Termin bekommen habe“, freut sich ­Martina. „In Berlin wartet man drei bis vier Monate auf einen Termin und darf auch nur ein Teil mitbringen.“

Inzwischen sind sie und Andreas bei ­Martinas altem Walkman angekommen, mit dem sie noch heute ihre selbst aufgenommenen Kassetten aus dem Radio hört. Ein Wackelkontakt verursacht Unterbrechungen beim Hören. Nach dem Austausch eines kleinen Teils wird er wahrscheinlich noch Jahre funktionieren. Andreas gibt Martina einen Tipp, wo sie das Teil günstig kaufen kann und beim nächsten Repair Café in einem Monat wird er es zusammen mit der Stahnsdorferin einbauen. Denn auch das gehört zum Konzept der Einrichtung. Der Besucher soll seine defekten Geräte nicht einfach abgeben, er soll bei der Reparatur mitmachen. „Viele Menschen wissen ja heute gar nicht mehr, wie man etwas repariert“, sagt Jeanette. „Das können wir ihnen beibringen.“ Sie sieht das Café aber auch als eine Art finanzielle Hilfe. „Wir haben aber auch viele Leute in der Region, die nicht so viel Geld haben. Für die ist es ein Drama, wenn der Toaster kaputt geht.“

Ort zum Reden und Zuhören

Das wichtigste am Repair Café ist aber, einen Ort zu schaffen, wo die Leute zusammenkommen, reden und sich austauschen können, da sind sich alle Freiwilligen einig. „Darum heißt es ja auch Café und nicht Werkstatt.“ Besucher haben so die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Bekannte zu finden. Dann ist es auch nicht so schlimm, wenn ein Gerät mal nicht mehr funktioniert. Denn bei Henriettes Bügeleisen sind auch die Experten mit ihrem Latein am Ende. Gerade hat es wieder funktioniert, nun bekommt es schon wieder keinen Strom. Aber auch das gehört dazu. Jedes Gerät kann man nicht reparieren, aber man kann es versuchen.

Text: neb; Foto: Verlag