Nachbarschaftshelfer – Eine sinnvolle Ergänzung zu Pflegediensten?
Im Gegensatz zu Großstädten kennt man bei uns in der Region seine Nachbarn – mehr oder weniger gut. Wäre es da nicht schön, wenn man im Alter deren Hilfe in Anspruch nehmen könnte, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil sie von der Pflegekasse eine finanzielle Anerkennung für ihre ehrenamtliche Tätigkeit erhielten? In allen anderen Bundesländern ist das längst Praxis – nur in Brandenburg noch nicht, aber Änderungen sind geplant. Doch es gibt auch einiges zu bedenken, wenn man sich für diese Art der Nachbarschaftshilfe entscheidet.
Im Prinzip könnte eine Person, die einen Pflegegrad 1 besitzt, bereits jetzt Alltagshilfe in Anspruch nehmen und damit sowohl pflegende Angehörige entlasten als auch Leistungen in Anspruch nehmen, die die Pflegedienste nicht erbringen können. Dafür steht den Berechtigten nach §45a SGB XI ein monatlicher Entlastungsbetrag von 131 Euro zu, der allerdings nur an anerkannte Dienstleister gezahlt wird – oder die Leistung wird durch Ehrenamtliche unter fachlicher Anleitung eines Trägers erbracht. Gemeinsames Kochen, Vorlesen oder Gedächtnistraining, Begleitung zu Einkäufen oder Arztterminen wären typische Tätigkeiten, die in diesen Rahmen fallen – andere Aufgaben wie Treppenreinigung oder Gartenarbeiten sind jedoch ausgeschlossen. Auf keinen Fall dürften pflegerische Tätigkeiten übernommen werden, denn dazu sind die Pflegedienste mit ihren ausgebildeten Fachkräften da. Es gibt mehrere gewerbliche anerkannte Dienstleister in unserer Region, die Alltagshilfen außerhalb von Pflegeleistungen anbieten. Im Internet liest man, dass um die 40 Euro pro Stunde dafür verlangt werden. Da sind die 131 Euro von der Pflegekasse schnell aufgebraucht. Schon ein Arztbesuch kann ja mehrere Stunden in Anspruch nehmen und ein kleiner Spaziergang oder Einkauf viel Vorbereitung erfordern, wenn die Person vorher angezogen und der Einkaufszettel erst geschrieben werden muss. Allerdings könnte man ab Pflegestufe 2 einen Teil der Pflegesachleistungen in eine Alltagsunterstützung umwandeln, aber dieser Betrag würde dann teils mit dem Pflegegeld verrechnet, es wäre also keine Zusatzleistung.
In Brandenburg ist es bisher so geregelt, dass man sich bei einem Bedarf für Alltagsunterstützung an einen Pflegestützpunkt wendet und diese den Kontakt zu gewerblichen Anbietern oder gemeinnützigen Trägern herstellen. Die wiederum beschäftigen sozialversicherungspflichtige Mitarbeiter oder Ehrenamtliche; die Angebote müssen amtlich bewilligt sein. Alle in diesem Bereich Tätigen müssen einen 30-stündigen Qualifizierungskurs besucht haben, in dessen Rahmen sie Basiswissen und ein Zertifikat erwerben. Beim Projekt FAPIQ (gefördert vom Brandenburger Ministerium für Gesundheit und Soziales, den Landesverbänden der Pflegekassen und privaten Krankenversicherungen), dem hiesigen Hauptanbieter, geschieht das in einem Zoom-Onlinekurs. Letztes Jahr zahlten Ehrenamtliche, deren zuständiger Träger später 12 bis 15 Euro pro Stunde erhält, jeweils 110 Euro für die viertägige Schulung. Dieses Jahr werden noch keine Kurse angeboten – das liegt wohl auch daran, dass das Ministerium schon seit längerem eine Überarbeitung der „Angebotsanerkennungsverordnung“ plant. In anderen Bundesländern hingegen hat man das Angebot bereits ausgeweitet, sodass sogar Einzelpersonen mit entsprechender Qualifizierung als ehrenamtliche Nachbarschaftshelfer tätig werden können – vorausgesetzt, sie sind nicht mit der Person verwandt oder verschwägert. Würde die pflegebedürftige Person also in einem anderen Bundesland wohnen, könnte sie sich unter Umständen mehr Betreuung leisten, denn was nach Landesrecht als anerkanntes Angebot zur Unterstützung im Alltag gilt, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Was als Alltagshilfe gilt, kann man konkret auf den Webseiten der Bundesländer erfahren. Nehmen wir einmal an, die Pflegebedürftige wäre in Thüringen zuhause und eine rüstige Nachbarin – selbst Rentnerin – wäre bereit, ihr ehrenamtlich Gesellschaft zu leisten und sie bei Einkäufen zu begleiten. Diese freundliche Dame hätte, um maximal 10 Euro Ehrenamtspauschale pro Stunde von der Pflegekasse zu erhalten, einen Lehrgang (5 x 90 min.) besucht und sich bei der Pflegekasse registriert. Das so erworbene Einkommen von maximal 131 Euro monatlich müsste nicht versteuert, aber gegebenenfalls zum Teil auf den Bürgergeldbezug angerechnet werden. Außerdem müsste sich die Nachbarschaftshelferin auf eigene Kosten versichern, um bezüglich Unfall- oder Haftpflichtschäden abgesichert zu sein.
In Brandenburg sind Ehrenamtliche bisher über einen Landessammelvertrag versichert – wie es in Zukunft nach der Neuregelung läuft, ist offen. Wir haben uns interessehalber bei Herbert Adelt, dem Leiter des Teltower HUK-Kundendienstbüros, nach den etwaigen Kosten erkundigt und erfuhren, dass eine Absicherung je nach Alter zwischen 130 und 250 Euro jährlich kosten würde. Die Pflegebedürftige in Thüringen könnte sich jedenfalls jeden Monat mindestens 13 Stunden Unterstützung durch die Nachbarschaftshelferin leisten, wobei die finanzielle Anerkennung direkt ohne Vorschuss von der Pflegekasse an die Nachbarin überwiesen wird. Das Problem bisher: Es gibt zu wenig Kurse, daher darf die Nachbarin bis Anfang nächsten Jahres erst mal ohne Ausbildung tätig werden – und das könnte Folgen haben. Schließlich könnte es zu belastenden Situationen oder Missverständnissen kommen, wenn man nicht weiß, wie man mit dementen Personen umgehen sollte oder was man im Rahmen der Tätigkeit überhaupt tun darf. Was noch zu bedenken wäre: Die mögliche Nachbarschaftshelferin sollte sich vorher überlegen, ob sie diese Tätigkeit tatsächlich ausführen möchte, ohne sich ausgenutzt zu fühlen. Möchte man ehrenamtlich Zeit für eine möglicherweise vermögende Person opfern, die sich auch problemlos ein kommerzielles Angebot leisten könnte? Das sollte von vornherein klar sein, wie auch Absprachen mit den Verwandten der betreuten Person nötig sind.

Auf jeden Fall wäre die neue Verordnung des Landes Brandenburg abzuwarten, denn erst danach könnte eine rechtssichere Ausbildung und Tätigkeit als Nachbarschaftshelfer überhaupt begonnen werden. Dazu schreibt uns Gabriel Hesse, Leiter des Referats „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ im Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Brandenburg: „Es war ursprünglich geplant, das formelle Abstimmungsverfahren im 1. Halbjahr 2024 zu starten. Das Vorhaben wurde zurückgestellt, weil zwischenzeitlich das Bundesministerium für Gesundheit angekündigt hatte, die Anforderungen an Angebote zur Unterstützung im Alltag im Pflegeversicherungsgesetz neu zu regeln und dabei insbesondere zur Nachbarschaftshilfe durch Einzelpersonen erstmalig Regelungen aufzunehmen (…) Der entsprechende Referentenentwurf für das einschlägige Gesetz (Pflegekompetenzgesetz-PKG) wurde – später als angekündigt – im September 2024 vom Bund vorgelegt. (…) Um nicht mehr Zeit zu verlieren, wird derzeit ein Entwurf für eine Angebotsanerkennungsverordnung erarbeitet, der die geplanten Änderungen zu den Regelungen bei den alltagsunterstützenden Angeboten im Gesetzesentwurf des Pflegekompetenzgesetzes berücksichtigt. Ich gehe davon aus, dass im II. Quartal 2025 nun das formelle Abstimmungsverfahren zur neuen Angebotsanerkennungsverordnung eingeleitet werden kann.“
Hoffen wir, dass diese Regelung bald kommt und entsprechende Angebote, Schulungen und einen Versicherungsschutz beinhaltet, damit sich mehr Personen eine Alltagsunterstützung leisten können und sich genug Nachbarschaftshelfer für diese verantwortungsvolle Aufgabe finden.KP
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