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Wie steht es um die Landwirte unserer Region?

Die DDR nannte sich „Arbeiter- und Bauernstaat“ – dabei hatte sie den Bauern durch Enteignung und Kollektivierung am meisten geschadet. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung hieß es: „Unser Ziel ist eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft, in der die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch tragfähig wirtschaften können.“ Als die Bauern Anfang 2024 protestierten, vertraten sie die Meinung, dass die deutsche Regierung und die EU die Landwirtschaft stattdessen benachteiligen. Hat sich die Situation inzwischen verbessert? Der in ­Teltow-Ruhlsdorf ansässige Landesbauernverband steht weiter zu seinen Forderungen.

Vor 50 Jahren gab es in Westdeutschland noch mehr als 1,1 Millionen bäuerliche Betriebe, heute sind es in allen 16 Bundesländern zusammengenommen nur noch gut 260.000 – die produktivsten davon in Ostdeutschland, sie erhalten daher auch den größten Anteil der Agrarsubventionen aus Brüssel, die nach der bewirtschafteten Fläche bemessen ­werden. Kleinere Betriebe haben dabei das Nachsehen. Kein Wunder, dass sie das Gefühl haben, gegen ihre großen Konkurrenten in den hoch technisierten Agrarfabriken nichts ausrichten zu können. Dazu kommt noch der Eindruck, zu wenig Beachtung zu finden. Tatsächlich geht der Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt seit Jahren zurück, momentan liegt er bei unter einem Prozent, inklusive Forstwirtschaft und Fischerei. Das hat auch damit zu tun, dass es in Deutschland seit Jahren ein Höfesterben gibt, weil sich die Landwirtschaft unter den gegebenen Bedingungen nicht mehr lohnt. Das sehen wir besonders in unserer Region, wo zahlreiche bäuerliche Betriebe nicht mehr existieren und Pferdehöfen Platz gemacht haben. Dabei könnten Landwirte hier einen wertvollen Beitrag zur Nahversorgung leisten, doch Reitställe sind offenbar lukrativer.

Frustration und Marginalisierungsängste gehören bei vielen Bauern zum Alltag – auf der anderen Seite erwirtschaften größere Agrarkonzerne durchaus Gewinne. Allerdings haben diese auch gegenüber den Lebensmittelkonzernen eine größere Verhandlungsmacht bei den erzielten Preisen, während sich kleinere Betriebe dem Preisdiktat beugen müssen, wenn die Ware nicht auf dem eigenen Hof verfaulen soll. Dazu kommt, dass Großbetriebe oft weniger von Preisschwankungen abhängig sind, weil sie mehr Rücklagen haben oder diversifizierter produzieren können. Ein weiterer Faktor sind die Verbraucher, die mit ihrem Kaufverhalten eher Produkte aus Agrarfabriken begünstigen als diejenigen aus bäuerlichen Kleinbetrieben – wobei sich aber auch nicht alle Käufer den Luxus teurer Lebensmittel leisten können. Die Agrarpreise unterliegen jedoch nicht nur regionalen Einflussfaktoren, schließlich bestimmen der Weltmarkt und das politische Geschehen über Angebot und Nachfrage, und dabei haben einzelne Landwirtschaftsbetriebe erst recht kein Gewicht.

Vom 8. bis 12. Januar 2024 fand bundesweit eine Aktionswoche statt, bei der Landwirtschaft und Transportgewerbe gemeinsam demonstrierten.

Es gibt diverse Faktoren, die Agrarpreise bestimmen, ein entscheidender wird das Vorhaben sein, die deutsche Wirtschaft CO2-frei zu machen. Bis 2030, also innerhalb von knapp sechs Jahren, soll die Landwirtschaft ein Drittel weniger CO2 ausstoßen – wie das in dieser kurzen Zeit funktionieren soll, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden, weiß niemand. Mit einem Verbot des Fleischkonsums könnte man das vielleicht erreichen, wie von Ökoaktivisten gefordert – aber das wäre wohl kaum durchsetzbar. In diesem Zusammenhang wird auch oft die Massentierhaltung kritisiert, obwohl hiesige Betriebe pro Stall zum Beispiel 80 Prozent weniger Schweine halten als in Dänemark und bei Landwirten in Potsdam-Mittelmark laut Landesbauernverband „nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien längst zum Bild einer zukunftsorientierten Landwirtschaft gehören“. Trotzdem verunsichern solche Gedankenspiele die Bauern: Lohnt es sich überhaupt, in einen neuen Stall zu investieren, wenn in Zukunft kein Gewinn mehr daraus erzielt werden kann? Ähnlich sieht es bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen aus, über denen das Damoklesschwert des Verbrennerverbots schwebt. Das Problem ist hier, dass es bisher keine wirklich technisch überzeugenden wie preislich attraktiven Lösungen gibt, so- dass die Bauern auch weiterhin auf den durch steigende CO2-Bepreisung immer teurer werdenden Agrardiesel angewiesen sein werden. Und dass die Regierung ihre durch gesetzeswidrige Haushaltführung fehlenden Milliarden ausgerechnet durch Streichung der Agrardieselsubventionen wieder hereinholen wollte, stieß daher bei den alternativlos dastehenden Bauern auf verständlichen Protest, weshalb Teile des Vorhabens wieder zurückgenommen wurden. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens auch, dass andere europäische Länder ihre Landwirte mit viel höheren Subventionen unterstützen – nur falls man denkt, unsere Bauern erhielten zu viel Geld. Das Problem liegt hauptsächlich darin, nach welchen Kriterien Gelder verteilt werden. In Deutschland ist jedenfalls der Anteil der Agrarförderung an den Gesamtsubventionen seit 1990 um 16 Prozent gesunken.

In der deutschen Landwirtschaft wurden im Jahr 2023 rund 255.000 Betriebe gezählt. Durch Technik und Digitalisierung konnten arbeitsintensive Tätigkeiten automatisiert und beschleunigt werden. Heute ernährt eine Arbeitskraft in der Landwirtschaft mehr als 139 Menschen, 1949 waren es gerade einmal zehn.

Es sind aber nicht nur die Diskussionen um die gerade für kleine und mittlere Betriebe lebenswichtigen Subventionen, die den Bauern Sorgen bereiten, es sind vor allen Dingen die bürokratischen Hürden, die im Laufe der Jahre aus dem Ruder gelaufen sind. So sieht es auch der Landesbauernverband Brandenburg e. V., der in Teltow-Ruhlsdorf seinen Sitz hat und einen Forderungskatalog mit 55 Vorschlägen zum Bürokratieabbau erarbeitet hat. An folgendem Beispiel kann man sehen, wohin überbordende Vorschriften führen: Eine Kuh ist krank und braucht ein Medikament. „Wenn aus einer 100-ml-Flasche 3 x 33,3 ml verschrieben werden, ist die Nachfrage nach dem fehlenden 1 ml lebensfremd“, kritisiert der Verband, der auch die zeitraubende und unverständliche Dokumentationspflicht in vielen anderen landwirtschaftlichen Betriebsabläufen abschaffen möchte. Sein Angebot, die Bundesregierung beim Bürokratieabbau zu beraten, wurde zwar gehört, aber noch nicht umgesetzt. In der landwirtschaftlichen Praxis hilft es wenig, dass durch das Ende März verabschiedete Wachstumschancengesetz einige wenige steuerliche Entlastungen für Landwirte möglich wurden – auf den Abbau der durch EU-Vorschriften errichteten bürokratischen Hürden hat das keinerlei Einfluss.

Die Gründe für die Bauernproteste haben sich also kaum geändert – weshalb sieht man jetzt keine Traktoren mehr auf den Straßen? „Die Bauern haben momentan keine Zeit für Demonstrationen, weil sie in ihren Betrieben so viel zu tun haben“, berichtet uns die Pressesprecherin des Landesbauernverbands. Daher hatte auch keiner der landwirtschaftlichen Betriebe in Potsdam-Mittelmark Zeit für ein Interview. Der Verband setzt sich aber weiterhin für ihre Anliegen ein, denn ein Paradigmenwechsel in der Agrar- und Ernährungswirtschaft ist dringend notwendig. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Bauern Ende des Jahres wieder auf die Straße gehen.

Fotos: Pixabay.com