„Jesus Egon Christus“ auf der 71. Berlinale
Von Volkert Neef
Die 71. Berlinale fand vom 1. bis zum 5. März coronabedingt nur digital statt. Im Juni werden die Filme auch dem Publikum präsentiert – darunter der deutsche Beitrag „Jesus Egon Christus“.
Bei der diesjährigen Berlinale feierte in der Programmsparte „Perspektive Deutsches Kino“ der 51 Minuten lange Film „Jesus Egon Christus“ aus dem Jahre 2021 seine Premiere. Gefördert wurde der Streifen durch das Medienboard Berlin Brandenburg und die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM), Buch und Regie führen David Vajda und Saša Vajda, die auch für das Casting verantwortlich waren. Beide übernahmen in Zusammenarbeit mit Benjamin Mirguet zudem den Schnitt.
David Vajda (31), Produzent des Films, studierte Philosophie am Londoner University College und „International Politics“ in Cambridge. Sein Bruder Saša Vajda (34) arbeitet nach seinem Philosophiestudium an der Pariser Sorbonne als freischaffender Fotograf und hat unter anderem an einer BBC-Dokumentation über Geflüchtete mitgewirkt. Seine Fotografien wurden in Zeitschriften wie dem Dummy Magazin veröffentlicht.
„Jesus Egon Chrstus“ wurde im Land Brandenburg gedreht, vor den Toren Berlins. Paul Arambula spielt den jungen Egon und Sascha Alexander Gersak (46) ist in der Rolle des Pastors zu sehen. Den Schauspieler ist unter anderem aus „5 Jahre Leben“ bekannt: In diesem Streifen spielt er den im Gefangenenlager Guantanamo einsitzenden Deutsch-Türken Murat Kurnaz. Einen weiteren Auftritt hatte er im Drama „Gladbeck“, in dem er in die Rolle eines der beiden Geiselnehmer schlüpfte. 2013 erhielt Sascha Alexander Gersak den „Preis der Deutschen Filmkritik“ in der Kategorie „Bester Darsteller“ für „5 Jahre Leben“. 2018 wurde er mit dem „Deutschen Regiepreis Metropolis“ für „Gladbeck“ in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ geehrt.
Bei der 71. Berlinale beeindruckte er nun das Fachpublikum als selbsternannter Geistlicher. Er umgibt sich in einer Lebenshilfe-Einrichtung, die auch schon einmal baulich bessere Zeiten erlebt hat, mit Menschen mit Suchtproblemen oder geistigen Behinderungen. Der evangelikale Pfarrer führt die ihm Anvertrauten mit strenger Hand. Die oft schwerstheroinabhängigen Bewohner will er mit kaltem Entzug und Gottes Wort wieder auf den Weg der Tugend zurückführen. Der junge Egon kommt neu in die Lebenshilfe-Einrichtung und stellt den Geistlichen, aber auch die anderen Bewohner, auf harte Geduldsproben.
Egon ist ein Psychotiker und Sonderling. In der Unterkunft nimmt er den erlösenden Messias beim Wort und stürzt allmählich in eine geistige Umnachtung. Egon, der nicht wie ein junger Mann wirkt, sondern immer noch große Züge des Kindes mit sich trägt, leidet an Schlaflosigkeit, er will sich nicht duschen und auch nicht am Arbeitsalltag am Hof beteiligen. Paul Arambula spielt den unter Wahnvorstellungen und unter Realitätsverlust leidenden Egon so herausragend, dass beim Zuschauer der Verdacht aufkommt, hier sehe man einen Dokumentarfilm.
„Jesus Egon Christus“ beeindruckt durch die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller. Da ist auf der einen Seite der Pastor, der wirklich alle Hebel, oft mit lauter Stimme im Kommandoton und sehr harter Hand geführt, in Bewegung setzt, um aus jedem seiner Anvertrauten wieder gute Kinder auf Gottes Erde zu schaffen. Auf der Gegenseite der schlaksige Egon, der mit dem Geistlichen und den Mitbewohnern eine Diskussion führt, ob Jesus eigentlich auch geduscht hatte. David und Saša Vajda klagen in ihrem Film die Einnahme von Suchtmitteln, wie beispielsweise Heroin, gar nicht an – das brauchen sie auch nicht, denn die von Antonia Lange geführte Kamera zeigt eindringlich auf, wozu langanhaltender Rauschgiftkonsum führt. Eine dramatische Botschaft an all jene, die diese Gefahrenpotenziale unterschätzen und ein beeindruckender Film „Made in Germany“.
Bild: vajda film UG