Neue Schleuse für Fürstenwalde
Seit fast zwei Jahrzehnten bemühen sich Wirtschaft und Politik in Ostbrandenburg um eine moderne Schleuse für Fürstenwalde. Am 7. März konnte nun ein Durchbruch verkündet werden. Auf Einladung von Michael Kellner (MdB und PStS im BMWK) und Erdmute Scheufele (Mitglied des Kreistages Oder-Spree) fand an der Schleuse Fürstenwalde ein Treffen mit einem Bündnis aus Verladern, Reedern, Hafenbetreibern und der IHK Ostbrandenburg statt, um eine neue Ära der Binnenschifffahrt auf dem Oder-Spree-Kanal einzuläuten. Die Schleuse Fürstenwalde, eine der 4 Schleusen des Oder-Spree-Kanals, die auf dem Weg von Berlin zur Oder passiert werden müssen, soll neu gebaut und damit den Anforderungen des modernen Güterverkehrs angepasst werden.
Dabei wurde bekannt, dass das BMDV nunmehr entschieden hat, die noch aus den Jahren 1891 und 1914 stammenden Schleusenkammern an der Staustufe Fürstenwalde durch den zukunftssicher dimensionierten Ersatzneubau einer Schleusenkammer mit 115 Metern nutzbarer Länge zu ersetzen.
Oliver Luksic (MdB) dazu als PStS im BMDV: „Die im BMDV getroffene Entscheidung für einen Ersatzneubau der Schleuse Fürstenwalde ist ein starkes politisches Signal für die wasserseitige Anbindung der örtlichen Industrie und des Gewerbes, eine mögliche Verkehrsverlagerung auf die Wasserstraße und damit die Zukunftsfähigkeit dieser Region im Osten Deutschlands“.
Die bestehende Schleuse Fürstenwalde ist die letzte für den Güterverkehr relevante Schleuse zwischen dem Rhein und der Oder, die aufgrund ihrer Abmessungen nur mit maximal 67 Meter langen Schiffen passiert werden kann. Solche Güterschiffe sind heute nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben und werden deshalb schon seit 50 Jahren nicht mehr gebaut. Die vorhandene Flotte wird sukzessive verschrottet, so dass die Güterschifffahrt auf dem Oder-Spree-Kanal ohne einen zukunftsfähig dimensionierten Ersatzneubau der Schleuse absehbar zum Erliegen kommen würde. Schon heute steht geeigneter Schiffsraum nicht mehr nachfragegerecht zur Verfügung.
Martin Bock (Geschäftsführer der Reederei Ed Line GmbH und ehemaliger Geschäftsführer der Agravis Ost GmbH & Co KG) erläuterte, dass schon heute durchschnittlich 350.000 Tonnen pro Jahr an landwirtschaftlichen Produkten auf der hochbelasteten Autobahn an Fürstenwalde vorbeifahren um dann am Mittellandkanal in große Binnenschiffe verladen zu werden. Davon entfielen ca. 150.000 Tonnen auf Produkte aus nachhaltigem Vertragsanbau in der Region (z. B. Ölsaaten) und ca. 200.000 Tonnen auf den Durchgangsverkehr von Importgetreide aus Polen, welches ebenfalls bereits in Eisenhüttenstadt oder Fürstenwalde auf die Wasserstraße umgeschlagen werden könnte, wenn dort genügend geeigneter Schiffsraum zur Verfügung gestellt werden könnte. Der zunehmende Lkw-Fahrermangel und steigende CO2-Abgaben würden das Verlagerungspotential auf die umweltfreundliche Binnenschifffahrt noch zusätzlich erhöhen.
Die Bahn sei auf den parallel verlaufenden Bahnstrecken nicht hinreichend leistungsfähig und habe zudem in den letzten Dekaden viele der Gleisanschlüsse zu den Endkunden im Rheinland gekappt, so dass sie als ebenfalls umweltfreundliche Alternative für den Transport landwirtschaftlicher Produkte auf dieser Relation ausfalle. Die mit dem Lkw-Transport anfallenden Transportmehrkosten in Höhe von ca. 1,50 Euro pro Tonne gingen voll zu Lasten der einheimischen Produzierenden, da diese Mehrkosten im marktwirtschaftlichen Wettbewerb nicht auf die Endabnehmenden umgelegt werden können.
Robert Radzimanowski (IHK Ostbrandenburg) ergänzte, dass ein zukunftsorientierter Ersatzneubau der Schleuse Fürstenwalde nicht nur für die Landwirtschaft und die Agrarindustrie in der Region existenzielle Bedeutung habe, sondern auch für die ortsansässigen Industrie- und Gewerbebetriebe im Anlagenbau die ihre hoch werthaltigen Produkte mit Sonderabmessungen und Schwerlasten nur auf der Wasserstraße ausliefern können. Im Wachstumskern Frankfurt (Oder)/Eisenhüttenstadt bestünden zudem erhebliche Mengenpotentiale zur Verkehrsverlagerung auf die Wasserstraße, z. B. seitens des Stahlwerkes der ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH und der Papierfabrik der ProGroup AG in Eisenhüttenstadt, die beide das Thema Nachhaltigkeit als herausragendes Ziel in ihren Unternehmensstrategien verankert hätten. Auch solle der öffentliche Binnenhafen Eisenhüttenstadt im Jahr 2025 einen neuen Anschluss an das Eisenbahnnetz erhalten und damit wieder trimodal werden. Nicht zuletzt sei der Erhalt der Schleuse wichtig für den boomenden Wassertourismus in der Region.
Michael Fiedler (Geschäftsführer der LUTRA GmbH Königs-Wusterhausen) wies daraufhin, dass die Landesregierung Brandenburg geschlossen hinter dem Ausbauvorhaben stehe, ebenso wie der Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen e. V.. Eine neue Schleuse mit zukunftsorientierten Abmessungen könne zudem den Anteil der Leerfahrten von Güterschiffen mit mehr als 67 m Länge aus dem Großraum Berlin in Richtung Westen nachhaltig reduzieren.
Vertreter der zur Rhenus-Group gehörenden Deutschen Binnenreederei GmbH verwiesen darauf, dass ihr Unternehmen ein umfangreiches Flottenmodernisierungsprogramm umsetzt, welches die Schiffsantriebe noch effizienter und umweltfreundlicher mache, so dass die weitere Verlagerung von Güterverkehren auf die Binnenschifffahrt einen noch nachhaltigeren Beitrag zum Klimaschutz in Deutschland leisten kann. Mit zukunftsfähigen Nutzungsparametern sehe man ein nachhaltig hohes Potential für Transportdienstleistungen der Binnenschifffahrt auf dem Oder-Spree-Kanal.
Durch den fortschreitenden Klimawandel kommt es auf den ostdeutschen Binnenwasserstraßen nur noch selten zu Eissperren, so dass der Oder-Spree-Kanal inzwischen fast ganzjährig befahren werden kann.
Wolf Laule als zuständiger Sachbereichsleiter des Wasserstraßen-Neubauamtes Berlin (WNA) stellte die Voruntersuchung für den Ersatzneubau der Schleuse in zukunftssicheren Abmessungen vor. Danach soll der Ersatzneubau lageversetzt im Oberwasser und vor dem derzeit dort gelegenen Betriebshafen des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Spree-Havel (WSA) innerhalb der Wasserstraße errichtet werden. Dadurch könne der Betrieb der Wasserstraße während der Dauer der Bauzeit aufrechterhalten werden und die Eingriffe in Natur und Landschaft sowie Fremdgrundstücke würden minimiert. Aufgrund des erforderlichen, wasserwegerechtlich begründeten Planfeststellungsverfahrens verfolge das WNA das Ziel die neue Schleuse nun spätestens im Jahr 2031 für die Inbetriebnahme bereitzustellen.
Lars Doering als Fachbereichsleiter Wasserstraßen und Maren Schmelzer als für den Betrieb der Schleuse Fürstenwalde zuständige Außenbezirksleiterin des WSA versicherten, dass sie ihr Bestes geben werden, damit die alten Schleusen bis dahin betriebsbereit bleiben.
Abschließend erklärte PStS Michael Kellner (MdB), dass er sich gemeinsam mit PStS Oliver Luksic (MdB) weiter dafür einsetzen wird, dass dieser Schleusenneubau als nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz und zur Wirtschaftsförderung in der Region jetzt ohne weitere Verzögerungen vorangetrieben wird.
Je nach Verfügbarkeit geeigneten Schiffsraums wurden in den letzten Jahren in Fürstenwalde zwischen 300.000 und 500.000 Gütertonnen geschleust, vorwiegend land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, Nahrungs- und Futtermittel sowie Baustoffe (siehe Anhang). Im Jahr 2023 wurden 3.539 Fahrzeuge geschleust, davon 1.249 Güterschiffe und 1.422 Sportboote.
Fotos: Wasserstraßen-Neubauamt Berlin