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„Wir brauchen mehr Schiene in der Region“

Bei der Landtagswahl konnte sich der SPD-Direktkandidat Sebastian Rüter im Wahlkreis 20 – Potsdam-Mittelmark IV (Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow und Nuthetal) mit 40 Prozent klar gegen die anderen ­Direktkandidaten durchsetzen. Im Interview mit dem Teltower Stadtblatt erklärt er unter anderem, was gegen ­Politikverdrossenheit bei jungen Wählern hilft und wie der öffentliche Nahverkehr in der Region ausgebaut werden sollte.

Teltower Stadblat: Haben Sie mit einem so deutlichen Wahlsieg gerechnet?

Sebastian Rüter: Das sehr gute Wahlergebnis hat mich selbst überrascht und ich freue mich natürlich darüber. Das Ergebnis hat aber auch viel mit der politischen Stimmung im Land zu tun. Sehr viele Menschen haben sich bewusst dafür entschieden, mit ihrer Stimme das demokratische Lager zu stärken. Ich bin in den letzten fünf Jahren viel in der Region unterwegs gewesen. Ich hatte Sprechstunden in allen Dörfern und war immer ansprechbar. Dadurch konnte ich viele kleine Probleme lösen und die Region wirklich in ihrer Tiefe kennenlernen.

Sie haben im Wahlkampf persönlichan über 10.000 Türen geklopft. Was sind die wichtigsten Themen, die die Wählerinnen und Wähler bewegen?

Der direkte Kontakt war mir immer wichtig, und es gab auch Menschen, die nicht mit mir sprechen wollten. Aber ich habe überwiegend ermutigende Worte erlebt, und das zeigt, dass das Demokratieverständnis in diesem Wahlkreis in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Es sind die alltäglichen Ängste und Sorgen, die die Menschen umtreiben. Meistens geht es um einen guten und sicheren Arbeitsplatz und um die Angst vor dem Verlust der Demokratie. Interessanterweise war ­Zuwanderung in den persönlichen Gesprächen deutlich seltener ein Thema, als oft behauptet wird, selbst bei Menschen, die der SPD sehr kritisch gegenüberstehen.

Erst- und Jungwähler scheinen ­zunehmend extreme Positionen zu bevorzugen. Wie kann dem in Zukunft entgegengewirkt werden?

Reden, reden und nochmals reden. Ihnen klarmachen, dass man komplexe Fragen nicht mit einfachen, radikalen Antworten lösen kann. Indem man zuhört und niemanden ausgrenzt. Dass das funktioniert, sieht man an vielen Schulen in unserer ­Region, wo engagierte Lehrer sich die Sorgen der Jugendlichen anhören und sich die Zeit nehmen, in Rollenspielen demokratische Lösungen dafür zu finden. Das stärkt die Diskussion und übt das Argumentieren. In diesen Schulen konnte man bei den Juniorwahlen beobachten, dass die junge Generation nicht automatisch zu extremen Positionen neigt. Ich bin oft und gerne in Schulen gegangen und habe das Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern gesucht. Und wann immer ich in Zukunft dazu eingeladen werde, will ich diese Chance nutzen. Denn nur so erfahre ich, welche Ängste und Erwartungen sie an die Politik haben. Sie sind die nachwachsende Generation und haben andere Prioritäten als zum Beispiel ihre Eltern. Es ist auch wichtig, möglichst viele Jugendliche in den Landtag einzuladen, ihnen live zu zeigen, wie diese Institution funktioniert. Gerade nach der schwierigen Corona-Zeit müssen wir dafür sorgen, dass der direkte Austausch wieder in Gang kommt. Der Landtag hat da viele gute Programme, sei es über die ­Landeszentrale für politische Bildung oder den „Dialog P“ mit allen im Landtag vertretenen Parteien.

Sie sind mit einem 10-Punkte-Programm zur Wahl angetreten. Was sind nun, nach der Wahl, Ihre Prioritäten?

Der öffentliche Personennahverkehr hat für mich nach wie vor Priorität. Nicht nur, weil es mein Arbeitsbereich im Brandenburger Landtag ist. Wir haben in Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow und Nuthetal in den letzten Jahren viel erreicht. Zum Beispiel durch das kreiseigene Busunternehmen Regiobus, das die Region inzwischen auch über Potsdam-Mittelmark hinaus vernetzt, zum Beispiel die neue Busverbindung von Teltow nach Großbeeren. Im Süden haben wir eine Linie, die neue Anschlüsse an den Fernverkehr bietet. Die Anbindung an Berlin wird immer besser, zumal Teltow inzwischen mehr Einpendler als Auspendler hat. Aber es gibt noch viel zu tun. So kann man zum Beispiel noch immer nicht ­direkt von ­Nuthetal nach Stahnsdorf fahren, sondern muss in Potsdam umsteigen. Handlungsbedarf besteht auch bei der ­Schieneninfrastruktur – wir brauchen mehr Schiene in Brandenburg! Wichtig ist natürlich die S-Bahn-Anbindung von Stahnsdorf, Teil des Projekts i2030. Wir müssen uns aber auch Gedanken machen, wie die neuen S-Bahnhöfe an das Nahverkehrssystem mit den Wohn-gebieten angebunden werden sollen. Ich glaube, das sollte nicht über die kleinen Straßen wie die Iserstraße oder die Sputendorfer Straße erfolgen, sondern über die großen Spangensysteme, die wir haben, damit die Menschen in den Wohngebieten nicht in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt werden. Wir müssen auch aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, nicht die gleichen Fehler wiederholen. Wir brauchen mehr Platz an den neuen S- und Regionalbahnhöfen, nicht nur für Fahrräder, sondern auch für die vielen Buslinien. Auch die Potsdamer Stammbahn ist ein großes Thema, denn sie hat das Potenzial, einen großen Teil des Pendlerverkehrs von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Es gibt außerdem viele Bahnhöfe, die reaktiviert werden können und müssen. Das ist aktive Umweltpolitik auf vielen Ebenen. Wohnen und vor allem leistbares Wohnen war ein weiteres großes Thema in meinem Wahlprogramm. Hier müssen wir vor allem darauf achten, dass bei Neubauprojekten die Mietpreisbremse in der gesamten Region aktiv bleibt. Leider ist diese in Nuthetal ausgelaufen, weil das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur der Meinung war, dass es in Nuthetal keinen Wohnungsmangel gibt. Hier müssen wir nachsteuern. Außerdem will ich die Zusammenarbeit mit den Entscheidungsträgern vor Ort, also den Bürgermeistern und Ortsvorstehern, parteiübergreifend ausbauen.

Foto: Dirk Pagels